Neumann RIME
Binauralisierungs-Plug-In für Neumann Kopfhörer NDH 20 und NDH 30
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Immersive Audio wird immer wichtiger. Der Aufwand ein Studio mit einer entsprechenden Lautsprecheraufstellung einzurichten ist für kleinere Produktionsstudios oder im mobilen Einsatz aber häufig nicht möglich. Daher wird das Produzieren mit Hilfe von Kopfhörer und binauralisiertem 3D-Audio immer beliebter und es wird auch qualitativ immer besser.
Bereits vor einiger Zeit hatte Sennheiser die Firma DearReality übernommen, ein Spezialist für binaurales Hören und 3D-Audio. Mit dem "DearVR Monitor" hatten man auch einen sehr universell einsetzbares Binauralisierungs-Plug-In im Portfolio. Im Frühling 2025 hatte Sennheiser aber die Auflösung von DearReality und die Integration in die Sennheiser Gruppe angekündigt. Erfahrung und Know-How waren also vorhanden und das Tochterunternehmen Neumann stellte dann zur gleichen Zeit sein neues Plug-In RIME vor, ein Binauralisierungs-Plug-In speziell für die Neumann Kopfhörer NDH 20 (geschlossener Kopfhörer) und NDH 30 (akustisch offen), was wir hier vorstellen möchten. RIME steht dabei für "Reference Immersive Monitoring Envirement". Klar ist, dass das Produkt natürlich mit Unterstützung der DearReality-Entwicklern entstand aber es ist trotzdem konzeptionell zum Teil ein anderer Ansatz als das Plug-In DearVR Monitor von DearReality.
Voraussetzungen und Installation
Das Plug-In steht für macOS (ab Version 10.15, Intel und Apple Silicon nativ) sowie für Windows (ab Windows 10) in den Formaten VST3, AAX und AU (für macOS) zur Verfügung.
Die Installation erfolgt über eine Installer-Software, bei der sich neben den Plug-In-Formaten auch die Impulsantworten für die relevanten Abtastraten die man nutzen möchte, individuell installieren lassen (s. Abb. oben).
Die Aktivierung des Plug-Ins erfolgt nach der Installation im Plug-In über die Eingabe eines beim Kauf bereitgestellten Autorisierungs-Codes.
Konzept
Wir haben auch schon einen Test des NDH 30 durchgeführt. Wir empfehlen, dass man sich den NDH 30 Test vorab einmal anzuschaut, wenn man noch nicht im Besitz des Kopfhörers ist und noch keine Erfahrung mit dem Kopfhörer hat. Der NDH 30 hat auch den Anspruch einen Klang in Richtung der Neumann KH-Lautsprecher zu bieten. Das konnten wir im Test auch bestätigen.
Der wesentliche Unterschied von RIME zum DearReality dearVR Monitor ist die Spezialisierung. Die Basis für die Binauralisierung ist ein mit MA 1 eingemessener Lautsprecheraufbau mit Neumann KH-Lautsprechern in einem Studioraum, der mit dem Neumann KU 100 Kunstkopf aufgenommen wurde. Diese Impulsantworten werden dann zur Binauralisierung genutzt und lassen sich aber in Grenzen an den Kopf des Hörers anpassen und auch der Grad des Raumeinfluss, kann man feinjustieren. Eine eigene HRTF lässt sich nicht laden. Das war auch schon beim dearVR Monitor so, ist aber beim RIME auch nachzuvollziehen, denn man möchte mit dem RIME eine virtuelle akustische Umgebung schaffen, wie man sie eben mit einem KH-Lautsprecheraufstellung auch in der Realität hätte.
Bedienung
Bis auf die individuelle Einstellung in Bezug auf den Nutzer ist alles auf Bedienungsoberfläche ohne verstecke Dialoge direkt verfügbar.
Beim Anklicken des Zahnradsymbols geht der genannte Dialog für die globalen Einstellungen des Plug-Ins (links) sowie für die individuellen Parameter des Kopfes des Nutzers (rechte Seite) auf. Dort kann man den Ohr-Abstand sowie den Kopfumfang auf Ohrhöhe anpassen und das auch in Relation zum KU 100 Kunstkopf.
Neben der Darstellung als Raum gibt es auch eine symbolisierte Darstellung der Lautsprecheranordnung (s. Abb. oben).
Auf der linken Seite im Plug-In kann man das Eingangsformat auswählen und die einzelnen Kanäle auch auf Solo schalten oder stummschalten. Eine Bargraf-Pegelanzeige gibt es ebenfalls für jeden Eingangskanal.
Unter der Lautsprecheranordnung lässt sich der Grad des Raumanteils bei der Binauralisierung anpassen (s. Abb. oben) also minimieren oder erhöhen.
Auf der rechten Seite kann man den Kopfhörertyp, also NDH 20 oder NDH 30, selektieren und ein Hoch/Tiefpassfilter lässt sich hier einstellen und aktivieren.
Der Ausgangspegel wird über einen Bargrafanzeige mit Pegel-Referenzpunkten angezeigt und lässt sich auch über einen Regler bei Bedarf feinjustieren.
Headtracking
Kommen wir nun zu einem Punkt den ich persönlich für besonders wichtig halte nämlich das Head Tracking. Dies ist eine Option die man nutzen kann oder auch nicht aber die Nutzung bringt bei der Wahrnehmung von binauralisiertem Audio eben Vorteile mit sich. Wir justieren - zum Teil bewusst und zum Teil unterbewusst - unsere Ortungswahrnehmung durch mehr oder weniger große Kopfbewegung. Bewusst zum Beispiel in dem im täglichen Leben man sich mit dem Kopf in die vermutete Richtung einer Schallquelle dreht um diese eben zu bestätigen oder ggf. zu verwerfen, bis die Ortung gelingt. Aber auch unterbewußt durch sehr kleine Kopfbewegung, quasi wie eine Art der Kalibrierung.
Es ist auch so, dass wenn man sein Kopf bewegt, sich der Eindruck des Schallfeldes bei der Wahrnehmung entsprechend anpasst. Ohne eine Kompensation dreht sich beim Hören mit Kopfhörerhören einer Kopfdrehung das gesamte Schallfeld mit und entspricht somit nicht der Wahrnehmung in der Realität. Dies führt dazu, dass das Gehirn immer wieder daran erinnert wird, dass die Virtualisierung nicht mit dem Realitätsempfinden übereinstimmt.
Um dies im Binauralisierungsprozess zu berücksichtigen gibt es sogenannte Headtracker. Über Sensoren wird die Kopfposition, bzw. die Lage des Kopfes im Raum analysiert und über eine Software-Schnittstelle dem Binauralisierungs-Plug-In mitgeteilt, dass dann das Schallfeld entsprechend der Kopfposition anpasst.
Wir haben schon einen umfangreichen Test über den Supperware Headtracker 1 geschrieben, den man sich durchlesen sollte, wenn man sich für dieses Thema interessiert. Der Headftracker 1 von Supperware ist mittlerweile der am weitest verbreitete Headtracker, bestehend aus der Sensor-Hardware in Form eines Bandes mit verschiedenen Sensoren, was über USB-Kabel an den Rechner angeschlossen wird und die Daten dort über die Software Bridgehead via OSC-Protokoll dem RIME, oder auch anderen Binauralisierern, bereitgestellt wird.
Im Neumann RIME-Plug-In ist in der Sektion HEAD TRACKING die entsprechende Port-Nummer mit 7001 voreingestellt. Ggf. kann man hier Anpassungen vornehmen falls der Port schon von einer anderen Software benutzt wird. Der Fall der Belegung wird durch eine rote Anzeige beim Status symbolisiert. Wenn die Statusanzeige grün ist wurde eine Verbindung über OSC-Protokoll zur Headtracker-Software hergestellt.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Bridgehead-Software für den Supperware Headtracker 1. Wenn man die Software neu installiert lässt sich direkt das Profil "Neumann" für die Nutzung des RIME anwählen. Wenn man jedoch schon die Software zuvor installiert hatte, dann ist auch nach einem Update (Stand Juni 2025) das Neumann-Profil nicht vorhanden, da die Profile-Datei nicht mit aktualisiert wird. Ich hatte mit Ben Supper gesprochen und er denkt über eine Lösung hierfür nach.
Die Problemlösung ist, dass man über den virtuellen Taster "Show file" die Profil-Datei aufruft und entsprechend manuell editiert. Man muss dazu einfach in dem Texteditor folgende Zeilen hinzufügen:
Neumann
/ypr
yaw,pitch,roll
local 7001
Wichtig dabei, dass die Angaben des Formats yaw,pitch,roll mit Kommas und nicht mit Punkten getrennt werden. Wenn man dies speichert ist dann nach einem Neustart der Bridgehead-Software das Profil "Neumann" anwählbar.
Praxis
Zunächst einmal zur Option Headtracking und der Befestigung des Headtracker-Sensorbandes von dem Supperware Headtracker 1. Die Länge des Bandes passt genau auf den Kopfhörer-Oberbügel des NDH 30. Mit den mitgelieferten Befestigungsbändern (die kleine Größe) des Supperware Headtrackers lässt sich das Sensorband gut befestigen. Wir haben dies jeweils ganz außen wo das Polster endet und in der Mitte des Polsters getan. Auf der Seite mit dem USB-Stecker haben wir zwei Befestigungen angebracht. Das USB-Kabel haben wir am Hörer mit Klettband nochmal zusätzlich fixiert (s. Abb. oben). Das Ganze sitzt realtiv fest und kann problemlos im Studio-Alltag genutzt werden. Für das USB-Kabel empfehlen wir hier eines mit einer Gewebe-Ummantellung (siehe weitere Infos im Testbericht zum Supperware Headtracker 1). Beim Befestigen muss man mit dem Einsatz von Werkzeugen wie Schraubendreher oder ähnliches entsprechend vorsichtig sein, um nicht die Oberfläche des Kopfhörerbügels oder der Seitenteile zu beschädigen. Unserer Einschätzung nach empfiehlt sich hier daher eher die auch verfügbare schwarze Variante des Kopfhörers.
Zum Tracking ist anzumerken, dass zurzeit ausschließlich die untere Ebene beim RIME-Plug-In beim Trackling ausgewertet wird. Das heisst, dass Kopfneigungen nicht in die Berechnung des virtuellen Schallfeldes einfließen. Dies ist aber nicht unbedingt so störend, da man höufig beim Arbeiten auf das Pult, den DAW-Controller oder die Tastatur schaut und sich der Supperware Headtracker dann manchmal in der Neigung auch dekalibriert, was eine manuelle Neukalibrinung erforderlich macht. Wenn man den Neigungswinkel nicht mitverfolgt, dann ist dies sogar unter Umständen vorteilhafter.
Das Plug-In ist extrem einfach zu bedienen, was auch daran liegt, dass es auf die Neumann-Kopfhörer zugeschnitten ist. Das optionale Headtracking ist da schon ggf. die größte Herausforderung, die aber auch nach Lesen unserer Anleitung schnell gelingen wird und der Einsatz des Headtrackers lohnt sich zudem auf jeden Fall, da dadurch das immersive Hörerlebnis nochmal gesteigert wird. Das kann ich aus eigener Erfahrung nochmal bekräftigen.
Wir haben das Plug-In hauptsächlich mit Steinberg Nuendo 14 auf einer Windows 11 basierenden B14 AudioKern DAW von Digital Audio Service innerhalb einer Dolby-Atmos-Produktion mit dem Nuendo internen Renderer eingesetzt. Da waren keine Probleme feststellbar. Die benötigten Resourcen sind mit einer leistungsfähigen Workstation zu bewältigen. Bei unserem Projekt stieg die Peak-Performance-Anzeige in Nuendo nach dem Aktivieren des RIME-Plug-Ins von ca. 13 auf etwas über 30 Prozent. Die erforderlichen Resourcen sind also durchaus nicht zu vernachlässigen.
Nun zum Wichtigsten, nämlich zum Höreindruck. Hier muss man besonders betonen, dass gerade bei der Binauralisierung eine Bewertung eine stark individuelle und subjektive Aussage darstellt. Eigentlich ist es auch wichtig eine individuelle, bzw. personalisierte HRTF für optimale Ergebnisse zu nutzen. Aber schon die dearVR Monitor von DearRealitiy verzichtete darauf und auch beim RIME muss man sagen, dass der gewonnene Eindruck der Binauralisierung auch ohne individuelle HRTF erstaunlich gut ist. Bei einer Binauralisierung kommt es auch immer darauf an den besten Kompromiss zwischen Klangveränderung und optimaler Ortung der Schallquelle zu erreichen. Das ist den Entwicklern von RIME sehr gut gelungen. Auch die kritischen Einfallsrichtungen von hinten und oben lassen sich gut lokalisieren.
Man hat auch die klangliche Kompatibilität zu einem KH-Laufsprecheraufbau weitgehend gewährleistet. KH-Lautsprecher, die Neumann Kopfhörer und das RIME-Plug-In sind also auch als ein gesamt-akustisches Ecosystem zu verstehen, dass dann sowohl im Studio, als auch unterwegs ein immersiven Produktionsprozess unterstützt. Mobiles produzieren von Musik wird ja auch immer bedeutender.
Fazit
Der Preis des RIME liegt bei ca. 100 Euro. Bezogen werden kann das Plug-In über Neumann-Fachhändler oder auch über den Web-Shop von Neumann. Man kann jedem der den einen NDH 20 und NDH 30 besitzt das RIME uneingeschränkt empfehlen. Damit hat jeder die Möglichkeit in den Einstieg zur immersiven 3D-Audio-Welt, sei es sowohl mobil als auch im Projektstudio. RIME kann kein dediziertes 3D-Audio-Lautsprechersystem komplett ersetzen aber mit dem Plug-In kommt man diesem Ziel schon wieder einen deutlichen Schritt näher.