Steinberg Nuendo 14
Autor: Erol Ergün
In der neusten Version von Nuendo finden sich zahlreiche Verbesserungen und Optimierungen für die Audiobearbeitung in den Bereichen Musik, Film, TV, Game sowie Immersive Audio.
So lassen sich jetzt störende Hintergrundgeräusche dank KI-Unterstützung im Mix besser reduzieren und die Nachvertonung von Dialogen wird, ebenfalls unterstützt durch KI, mit Hilfe der Audio-zu-Text-Transkription wesentlich beschleunigt. Ebenfalls neu ist die automatische Erkennung von Audiosegmenten, um beispielsweise Wörter oder Silben in Dialogspuren zu bearbeiten. Dazu passend gibt es jetzt praktische Werkzeuge wie frei definier- und automatisierbare Pegelkurven innerhalb von Audio-Events sowie die vereinfachte Bearbeitung von Audiobereichen mittels definierbarer Tastenkombinationen. Soweit der erste Überblick. Für alle Interessierten, die sich mehr über den allgemeinen Funktionsumfang von Nuendo informieren möchten, sollten sich einmal den Test über Nuendo 13 anschauen.
Sounddesign und Musik
Aufgrund der nahen Verwandtschaft zu Cubase 14 und dem nahezu identischem Funktionsumfang in Bezug auf Musik und Sounddesign stellen wir diese Highlights nur kurz vor. Der ausführlichen Testbericht über Cubase 14 gibt weitere interessante Informationen hierzu.
Der alte Noten-Editor wurde neugestaltet und basiert nun auf der leistungsfähigen Dorico-Technologie für die präzise und leichtgängige Notation von MIDI-Noten. Mit der neuen Spurklasse für Drums lassen sich in Nuendo 14 mittels MIDI-Eingabe komplexe Rhythmen erstellen, mit Hilfe des neuen Pattern-Editors dynamisch bearbeiten und über die ebenfalls neue Drum Machine mit frischen Klängen erzeugen.
Die spektrale Audiobearbeitung erfährt mit der neuen Version des SpectralLayers Go 11.0.60 einige praktische Verbesserungen wie verbesserten ARA- und GPU-Support sowie neue Tastaturkürzel. Darüber hinaus lässt sich SpectralLayers Go 11.0.60 als AAX AudioSuite Plug-in (Pro Tools 12 und neuer) nutzen.
Nuendo 14 verfügt jetzt über vier neue Sound-Effekt-Plug-Ins: So sorgt „Shimmer“ für den bekannten Schimmer-Effekt durch geschickte Kombination von Raumhall, Delay und Pitch-Shifting. Auch „StudioDelay“ tut das, wofür es benannt wurde mit einfacherem Zugriff auf verschiedene Modulations- und Hallparameter. Bei „UnderWater“ ist der Name Programm, da hiermit einfach dumpfe Unterwasser- oder Raumeffekte, wie die Simulation von Musikpartys des Nachbarn erzeugt werden können. Mit dem ebenfalls neuem „AutoFilter“ werden dynamische Verläufe durch automatisierbare Filter für Tiefpass, Bandpass sowie Hochpass möglich.
Gaming Audio
Mit Hilfe der flexiblen Funktion Game Audio Connect 3 wird die Übertragung von Audio-Assets aus Nuendo 14 an Game-Audio-Engines vereinfacht. Sounddesigner können Audio in Nuendo 14 erstellen und bearbeiten sowie direkt übertragen. So kann man innerhalb von Audiokinetic Wwise Audiodateien vorhören ohne diese zunächst in Nuendo 14 exportieren zu müssen. Darüber hinaus spielt Nuendo 14 alle Audiosignale, die im Spiel getriggert werden, über die eigene Audio-Engine ab, was den Mischprozess somit wesentlich vereinfacht.
Synchron / Video
Mit der KI-gestützten Funktion „Adaptive Background Attentuation“ (ABA) lassen sich Dialoge effizient von Hintergrundgeräuschen trennen und für eine bessere Sprachverständlichkeit im Mix hervorheben. Hierfür analysiert Nuendo 14 die vorhandene Audiospur und erstellt automatisch grafisch hervorgehobene Pegelkurven innerhalb der Audiodatei. Diese lassen sich dann wie gewohnt mittels Stift-Werkzeug und dem ebenfalls neuen Volume-Regler in Form von Bezierkurven komfortabel bearbeiten.
Darüber hinaus verfügt Nuendo 14 auch über das Volume Plug-in, mit dem sich Pegel losgelöst vom Kanalfader individuell einstellen lassen, um beispielsweise dynamische Soundeffekte und Dialogpassagen bearbeiten zu können.
Die ebenfalls KI-gestützte Audio-zu-Text-Funktion „Dialogue Transcription“ erlaubt die automatische Textgenerierung von Dialogspuren. Dabei werden Textmarker unterhalb des entsprechenden Audiosegments gesetzt. Nuendo 14 kann je nach Modus Fast, Balanced oder Accurate neben einzelnen Dialogspuren sogar alle Dialoge innerhalb eines Gruppenkanals analysieren. Wie bei allen KI-Modellen werden zur Identifikation der Sprache hierfür entsprechend „trainierte“ Modelldateien benötigt. Diese werden je nach Bedarf vor der Sprachanalyse mittels Steinberg Download Assistent heruntergeladen.
Im Test standen erfolgreichem Download und Neustart der DAW die zusätzlichen Sprachmodelle für eine Analyse der Dialogspuren zur Verfügung. Die mit Textpassagen erzeugten Marker ließen sich nach der Beendigung des Prozesses einfach im ADR-Modul auswählen, praktischerweise im Videomonitor als Untertitel anzeigen.
Apropos Video: im ADR-Setup lässt sich die Textansicht jetzt zusätzlich zu den bekannten Einstellungen wie Timecode und Textposition individuell mit den Parametern Größe, Textfarbe, Hintergrundfarbe und -Transparenz anpassen. Darüber hinaus kann Nuendo 14 jetzt auch mit Videoclips mit einer Auflösung von 4K und 8K umgehen und das Videofenster in der Größe skalieren. Nach wie vor empfiehlt Steinberg hierfür ein performantes System mit entsprechender Rechenleistung. Bei unserem Test mit einem Notebook ohne eigene Grafikkarte kam es zu einigen Rucklern. Unser System mit der GPU NVIDIA-RTX 3060 skalierte das Videofenster schnell und ruckelfrei.
Einige Highlights
DAWProject
Um Projekte innerhalb unterschiedlicher Audio-Software für Remixes oder zusätzliche Studio-Ssessions auszutauschen, waren bisher teilweise aufwendige Exporte von MIDI- und Audiodaten (AAF) sowie sonstige Meta-Daten für eine genaue zeitliche Positionierung einzelner Events und Automationsdaten notwendig. So enthält das MIDI-Protokoll unter Anderem Tempoangaben SysEx-Daten und Zeiten für Events wie Noten, aber kein Audio. AAF kann beispielsweise Audio mit Überblendungen, Pegeln und Panning verwalten, jedoch keine MIDI-Daten. Alternativ blieb nur das zeitaufwendige Ausspielen von Stems. Mit dem neuen Projektformat „DAWProject“ wird der Austausch von Projekten unterschiedlicher DAWs erheblich vereinfacht. So können mit Nuendo 14 unter anderem folgende Daten im- und exportiert werden: Einstellungen für Lautstärke, Pan, Mute, Sends, Spurfarbe, Insert VST3-Plug-ins, Kanalrouting sowie Automationsdaten für Panning, Stummschalten, Sends und Inserts.
Audio Performance Monitor Panel
Abhängig vom Projekt kann aufgrund der zu hohen Systemauslastung zu Dropouts oder sonstigen Performance-Aussetzern führen. Die bisherige Echtzeit-Balkendarstellung zeigte unter anderem allgemeine Festplattenzugriffe sowie Peaks und CPU-Last während der Projektwiedergabe. Neu hinzugekommen ist jetzt die grafische Anzeige der Dropouts.
So lässt sich im Projekt nun präzise der genaue Zeitpunkt sowie der Verursacher der Systemüberlastung identifizieren und gegebenenfalls durch Pre-Renderings (Freeze-Funktion) oder Event-Verschiebungen reduzieren. Dies geschieht praktischerweise direkt im Panel selbst, es ist also kein Fensterwechsel mehr notwendig.
Volume Plug-in
Das neue Plug-in erlaubt die vom Mixer unabhängige Pegelanpassung von Audiokanälen. So können beispielsweise Pegelsprünge innerhalb der Signalkette von Insert-Effekten ausgeglichen werden. Außerdem lassen sich die Parameter durch Modulatoren verändern, ohne die Mixer-Einstellungen ändern zu müssen.
Modulators
Eine bemerkenswerte Erweiterung für ein dynamisches Sounddesign stellen die sechs automatisierbaren Modulatoren dar, die durch Modulationssignale nahezu jeden Parameter von VST-Instrumenten, Plug-ins, sogar von Kanaleinstellungen und Mixern sowie darüber hinaus andere Modulatoren beeinflussen. Als Erzeuger von Steuersignalen dienen beispielsweise LFO mit unterschiedlichen, regelmäßigen und mittels Sample and Hold unregelmäßige Wellenformen, Step-Modulatoren, Envelope Follower mit Side-Chain-Routings oder gar mit der Programmiersprache Javascript selbst konfigurierbare Modulatoren. Preset-Beispiele wie NoteOn Gate, Delay, linear Quantizer, synced Random sind bereits enthalten. Diese Modulatoren lassen sich auch perfekt dazu nutzen Objekte in Dolby-Atmos-Mischungen zyklisch zu bewegen.
Praxisbeispiele
Besonders gut gefallen hat mir die Verbesserung kleiner, vermeintlich unscheinbarer Funktionen, die in der Summe die Audiobearbeitung jedoch sehr vereinfachen und hier als unvollständige Auswahl nur kurz erwähnt werden sollen:
Pegelkurven im Audioevent: Endlich lassen sich die Pegelkurven präzise und auf unterschiedliche Weise innerhalb eines Audiosegments bearbeiten, was die individuelle Anpassung beispielsweise von Dialogen erheblich vereinfacht. Hierzu kann man in den Einstellungen die Darstellung von Pegelkurven allgemein für alle Audioevents anpassen, entweder immer oder praktischerweise nur, wenn der Mauszeiger über dem Audioevent positioniert wird. Darüber hinaus ist die Helligkeit der Pegelkurven jetzt einstellbar. So konnte ich kleinteilige Audiosegmente wunderbar mit Hilfe der Bezierkurven bearbeiten und fließende Lautstärkeverläufe einzeichnen. Sehr praktisch fand ich auch die Möglichkeit, Gesamtpegelverläufe mittels Volume-Fader für das Audiosegment in der Lautstärke einstellen zu können. Klasse Detail hierbei: nach Doppelklick auf den unteren Volume-Fader-Bereich ließ sich direkt der gewünschte dB-Wert eintippen.
Vollständige Mixeransicht: im unteren Bereich innerhalb des Projektfensters lässt sich nun der Mixer mit allen Funktionen unabhängig vom Mixeransicht-Fenster abbilden. So ließen sich beispielsweise zur besseren Übersicht ausschließlich Kanal-Fader anzeigen, während man in der Mixer-Ansicht alle Send-/Insertslots vergrößert darstellen konnte.
Sortieren von Mixer-Kanälen: im Mixer lassen sich jetzt Kanäle umordnen. Dies funktionierte im Test denkbar einfach durch Auswahl des gewünschten Kanals und Verschieben zur gewünschten Position mittels Mausziehen und -ablegen. Sehr gut gefiel mir auch die neue Option, ausgewählte Kanäle mittels Rechtsklick in andere Spurordner zu verschieben. So gelang die Neuordnung unter anderem von Gruppenspuren sehr schnell und unkompliziert.
MediaBay Vorhörfunktionen: Gerade für Sounddesign ist eine Vorauswahl von möglichen Klängen zeitaufwendig. Im Test konnte ich Klänge in unterschiedlichen Tonhöhen, Skalen sowie mit halber oder doppelter Geschwindigkeit vorhören. Zu gefallen wusste auch die Tapemachine-Funktion, mit der man die Tonhöhe dynamisch einstellen und so Soundeffekte einfach für das Projekt definieren kann.
Automatische Projektspeicherung: Im Test hatte ich mehrere Nuendo-Projekte offen, um beispielsweise Eventparts zu kopieren oder alte Konfigurationen zu prüfen. Alle geöffneten Projekte mit ungesicherten Änderungen wurden automatisch in einen separaten Ordner gespeichert, den ich vorher in den Einstellungen definiert hatte. Praktisches Detail: hier kann man auch die Speicherintervalle eintragen und behält so den Überblick über den Projektverlauf.
Fazit
Nuendo 14 ist ab sofort sowohl für Apple als auch für Windows-Betriebssysteme verfügbar und kostet in der Vollversion ca. 990 Euro. Das Update von Nuendo 13 ist für ca. 190 Euro erhältlich. Angesichts der Fülle von Optimierungen für einen verbesserten Workflow, der Einführung von KI-gestützten Funktionen für die vereinfachte Pegelkontrolle und Dialog-Nachvertonung, sowie die flexible Vorschau von Sound-Effekten lohnt sich das Update für alle Nuendo-Nutzer.
Alle diejenigen, die sich bisher neben Musik im Postproduktions-Bereich mit Video, TV oder Gaming mit anderen DAWs beschäftigen, werden hier ohne Abo-Zwang definitiv fündig und erhalten eine mächtige und dabei erstaunlich flexible Audio-Software.