sE6160 Richtrohrmikrofon von sE Electronics
Autor und Fotos: Peter Kaminski

sE Electronics stellte mit dem sE6160 ein Richtrohrmikrofon vor. Auf den ersten Blick vielleicht verwunderlich, denn der Produktschwerpunkt liegt ja bei sE auf Mikrofone für den Bühnen/Live-Einsatz und dem Studiobereich. Aber wenn wir uns ein Anwendungsfall exemplarisch anschauen wird auch klar, warum sE Electronics ein solches Mikrofon entwickelt hat.
Auf der Bühne kommt immer mehr In-Ear-Monitoring zum Einsatz. In-Ear-Kopfhörer dämpfen ja den Außenschall so stark, dass die Musiker eine Zuspielung des Publikums auf ihr In-Ear-Monitoring wünschen, um die Atmosphäre in einem Konzert überhaupt noch wahrzunehmen zu können. Hier ist also Bedarf nach einem Mikrofon, was eine hohe Richwirkung bietet und Schall von hinten und der Seite gut unterdrückt, um die Beschallungs-PA nicht mit aufzunehmen. Somit war schon ein Grund für sE Electronics da ein solches Richtrohrmikrofon zu entwickeln.
Konzept
Das sE6160 ist ein Mikrofon nach dem Interferenzrohr-Prinzip mit Supernieren-Richtcharakteristik. Konzeptionell hat man sich, was die mechanischen Abmessungen angeht, an einem Vorbild orientiert, nämlich dem Klassiker Sennheiser MKH 418. Die Abmessungen sind vom Durchmesser und der Länge her identisch. sE Elecetronics entwickelte eine neue Kapsel auf Basis der sE8-Kondensatorkapsel und des RN17 aus der Ruper Neve Signature Serie. Die Elektronik basiert ebenfalls auf dem technischen Konzept des sE8, wobei diese modifiziert wurde. Die Großmembranmikrofone von sE wurden zum Teil technisch überarbeitet um den Störabstand zu verbessern, wie zum Beispiel beim T2 und diese Änderung flossen auch in die Elektronik des sE6160 ein.
Beim sE6160 kommt also eine Echtkondensator-Mikrofonkapsel zum Einsatz. Das ist mittlerweile nicht selbstverständlich. Der Vorteil eine Kondensatorkapsel gegenüber einer Electret-Kapsel ist das homogene elektrische Feld. Bei Electret-Kapseln wird die elektrische Ladung ja aufgebracht und diese ist nicht überall gleich hoch, was dann als Resultat wegen den Schwingungsmoden den Frequenzgang negativ beeinträchtigt.
Der mechanische Aufbau ist ein Rohr-in-Rohr-Konzept, was sehr leicht ist und zudem aber auch sehr Robust. Das innere Gehäuse (s. Abb. oben, Mikrofon zerlegt) ist verchromt. Durch die Verchromung vermeidet man Oxidation, bzw. eine Oxidschicht, die ggf. Schalter oder Kontakte im Betrieb negativ beeinflussen kann. Im Fertigungsprozess gibt es spezielle Vorgehensweisen. Bauelemente auf der Platine werden zum Teil erhöht angeordnet oder es sind Fräsungen in der Platine vorgesehen, so dass bei der Fertigung eine Reinigung mit Ultraschall auch unter den Bauelementen erfolgen kann. Es werden im Herstellungsprozess zwei Lackschichten aufgetragen um Feuchtigkeitsprobleme zu vermeiden.
Technische Daten
Das Mikrofon hat einen Durchmesser von 19,6 mm und eine Länge von 250 mm. Die Mikrofonkapsel selbst hat einen Durchmesser von 17,2 mm. Das Gewicht beträgt 110 Gramm.
Der Übertragungsbereich wird vom Hersteller mit 20 Hz bis 20 kHz (ca. +3/-5 dB) angegeben. Die Empfindlichkeit beträgt 25 mV/Pa, der Ersatzgeräuschpegel 13 dB (A-bewertet) und der maximale Schalldruck (0,5 % Klirrfaktor) wird mit 124, 134 oder 144 dB angegeben, je nach Schalterstellung der Vordämpfung und das Signal-/Rauschverhältnis beträgt 81 dB (A-bewertet).
Steckverbindung ist eine XLR-3-Buchse. Betrieben wird das Mikrofon mit 48-Volt-Phantomspeisung (IEC 61938) mit 2,6 mA Betriebsstrom und die Ausgangsimpedanz beträgt 110 Ohm. Die empfohlene Anschluss-/Last-Impedanz ist größer als ein Kiloohm.
Über zwei verdeckte Schalter lässt sich eine Vordämpfung von 10 oder 20 dB zuschalten sowie ein Hochpassfilter mit einer Grenzfrequenz von 80 oder 160 Hz. Diese Sektion wurde ebenfalls vom sE8 übernommen.
Lieferumfang
Das Mikrofon wird als Einzelmikrofon und auch als matched Stereo-Set angeboten. Das Transport-Case ist unabhängig von der Version immer das gleiche (s. Abb. oben) und es ist also gegebenenfalls nur halb bestückt.
Neben dem Mikrofon ist eine Mikrofonhalterung, das übliche Stativ-Reduziergewinde sowie einen Schaumwindstoff im Lieferumfang.
Praxis
Die Anlehnung an das Sennheiser MKH 418 bietet den Anwendern die Möglichkeit vorhandenes Zubehör auch in Verbindung mit dem sE6160 einzusetzen. Auch die Mikrofonempfindlichkeit des sE6160 ist so wie beim MKE 418 und so ist auch ein Produkt-Mischbetrieb ohne große Anpassungen möglich.
Vom Klang her merkt man, dass das sE6160 ein modern konzipiertes Richtrohrmikrofon ist. Ältere Konzepte klingen häufig sehr mittig und sind nicht unbedingt für den Einsatz bei Musikaufnahmen geeignet. Das sE 6160 ist klanglich sehr ausgewogen. Der Bassbereich ist nicht angehoben und die höhen sind Präsent aber eben nicht überpräsent. Auch sind Phasen-Effekte bei bewegten Schallquellen, wie man sie bei Supernieren-Mikrofone gelegentlich hört, so nicht vorhanden.
Auch die Wiedergabe von Transienten ist für ein Richtrohrmikrofon mit Supernieren-Richtcharakteristik sehr gut. Das sE6160 hat eine sehr hohe Richtwirkung. Diese ist häufig höher als die Richtwirkung anderer Mikrofone mit gleicher Länge. Auch die Unterdrückung der Seitenzipfel und rückwärtiger Schallquellen ist sehr gut. Auch Mikrofone mit eigentlich alten Funktionsprinzip, wie eben dem Interferenzrohr, lassen sich heutzutage scheinbar in Richtwirkung und Klang noch spürbar verbessern. Zudem ist das sE6160 relativ leicht und man kann es daher gut an einer Mikrofonangel halten.
Neben der schon erwähnten Anwendung im In-Ear-Monitoring-Bereich gibt es noch weitere Applikationen wo man das sE6160 sinnvoll einsetzen kann. So natürlich auch im Broadcast-Segment, im Sport-Bereich oder für Film/Video an einer Kamera montiert - die üblichen Halterungen passen hier sehr gut - oder an einer Angel. Das sE Electronics aber durchaus auch andere Anwendungen im Auge hat, ist schon daran zu sehen, dass es ein gematchtes Stereo-Paar anbietet. Das gibt es im Bereich der Richtrohrmikrofone sonst eher nicht. Dank der Transienten-Wiedergabe ist auch ein Einsatz bei Schlagzeug und Perkussionsinstrumenten machbar. Ich habe zum Beispiel von einem Anwender gehört, dass er das sE6160 bei Aufnahme einer Bassdrum einsetzt um von der Entfernung den Kick-Impuls mit seinen Transienten besser aufnehmen, bzw. herausarbeiten zu können. Überall wo man mit Abstand aufnehmen möchte kann das sE 6160 eine Lösung sein.
Fazit
Der Preis für das sE6160 liegt bei ca. 550 Euro und für das Stereo-Set bei ca. 1.100 Euro. Wenn man sich die Details einmal ansieht, wie der Rohr-in-Rohr-Aufbau, dann ist der Preis für diese Verarbeitung schon sehr anwenderfreundlich gestaltet. Auch wenn sE Electronics selber den Anwendungsbereich eher im Musik- und Live-Bereich sieht und so auch bewirbt, ist es auch ein tolles Mikrofon für den Betrieb an der Mikrofonangel oder an der Kamera. Vielleicht lädt es ja auch den einen oder anderen Toningenieur mal dazu ein, auch im Studio mit Hypernieren-Mikrofonen zu arbeiten. Das es auch ein gemachtes Stereo-Setup gibt muss man in diesem Zusammenhang auch noch mal erwähnen.
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