SSL SiX CH

Kanalzug API 500-Format

Autor und Fotos: Raphael Tschernuth

SSL Six CH Pro Audio Standing Side

Solid State Logic, besser bekannt als SSL, hat einen äußerst umfangreich ausgestatteten Kanalzug für das API-500-Format vorgestellt. Die Rede ist vom SiX CH, einem Channelstrip, dessen Design und technischer Aufbau von den Kleinmischpulten SSL SiX und SSL Big SIX übernommen wurde. Auf engstem Raum bietet SSL damit alle Zutaten an, die eine kreative Klanggestaltung und „Entzerrung“ ermöglichen. Neben einer Preamp-Sektion ist ein flexibler Zweiband-EQ sowie ein Kompressor mit an Bord. Aber nicht nur der Blick auf die Ausstattung verwundert, sondern auch der günstige Preis, der den SiX CH für Einsteiger wie Profis sehr attraktiv macht. Wir haben das Modul einem genaueren Test unterzogen.

Konzept

SSL Six CH Pro Audio Side

Der SSL SiX CH hat es wahrlich in sich. Ganze neun Druckknöpfe, vier Drehregler, zwei LED-Ketten und ein 6,3-mm-Klinkeneingang finden ihren Platz auf der nur 36 × 137 Millimeter großen Frontplatte. Derzeit gibt es meines Wissens keinen anderen Hersteller am Markt, der einen vollwertigen Channelstrip auf so engen Raum packt. Was früher mehrere Kilos und mindestens ein HE im 19-Zoll-Rack benötigt hat, schrumpft SSL auf eine 500er-Moduleinheit mit nur 183 Gramm zusammen. Das ist natürlich nur durch Transformator-loses Design und einen konsequenten Aufbau in SMD-Technik möglich. Trotz der vielen Funktionen hat SSL erfreulicherweise die Ergonomie nicht aus dem Auge verloren. Selbst wenn ein Gerät viel kann, so ist das in der Praxis oft nur die halbe Miete. Ist das Layout unlogisch und der Aufbau unnötig kompliziert, macht die Bedienung keinen Spaß und es kann im Eifer des Gefechts schnell zu fehlerhaften Einstellungen kommen.

Bedienung

SSL Six CH Pro Audio Standing Front

Ganz oben am Gehäuse befindet sich die Input-Sektion. Diese besitzt einen Gain-Regler, der eine stufenlose Einstellung der Vorverstärkung ermöglicht: Bei Mikrofonsignalen sind Werte zwischen +6 dB bis +72 dB und bei Line-Signalen -3 dB bis +63 dB einstellbar. Eine mehrfarbige, fünfstufige LED-Kette aus gibt optisches Feedback über die Stärke des Eingangssignals im Bereich zwischen -21 dBu und +24 dBu. Mithilfe von Druckschaltern lässt sich die Phasenumkehr, 48-Volt-Phantomspannung und ein Hochpassfilter aktivieren. Eine zusätzliche rote LED gibt Auskunft darüber, ob die 48-Volt-Phantomspeisung beim Mikrofon anliegt. Das Hochpassfilter setzt bei 75 Hz und 12 dB/Okt. an.

Der Input Sektion folgt der EQ für High- und Low-Frequency. Zwar rasten die beiden Drehregler in der 0-dB-Mittelposition ein, aber SSL hat dem EQ einen zusätzlichen On/Off Schalter spendiert, um ihn komplett aus dem Signalweg zu nehmen. Im normalen Modus arbeiten die beiden Bänder als einfache Shelving-Filter, und heben oder senken die Frequenz bei 60 Hz bzw. 3,5 kHz um bis zu +/-15 dB. Dank zweier Bell-Schalter wird der Einsatzbereich des EQs aber enorm erweitert. Diese ändern einerseits die Arbeitsweise und arbeiten mit 200 Hz respektive 5 kHz in anderen Frequenzbereichen. Daher hat man als User eine ganze Palette an Möglichkeiten zur Hand.

Die Kompressor-Sektion besteht aus nur einem Treshhold-Regler und ebenfalls einem On/Off Schalter. Wie beim SSL SiX ist die Ratio fest auf 2:1 eingestellt, er geht also sehr sanft ans Werk. Alle sonstigen Werte sind abhängig von der Art des Eingangssignals und passen sich laut Rücksprache mit einem SSL-Techniker automatisch an. Vergleichbar ist die Schaltung mit jener von Soft-Knee Kompressoren, wie man sie aus dem Hause DBX kennt.

Als Mittelwerte darf man Attack-Zeiten von rund fünf Millisekunden und Release-Zeiten von etwa 300 Millisekunden annehmen. Eine einfache dreistufige LED-Kette in den Farben Grün, Gelb und Rot, zeigt die Stärke der Signalverdichtung an.

Im untersten Bereich der Frontplatte befindet sich ein, mit dem Gehäuse fest verschraubter, Klinken-Eingang. Mit den beiden Schaltern rechts davon lässt sich der Line-Eingang aktivieren und sich bei Bedarf auf Hi-Z umschalten. Dadurch können Instrumente wie E-Gitarre, Bass etc. ohne DI-Box direkt mit dem SSL SiX CH benutzt werden.

Technische Daten

Neben den bereits angesprochenen Daten, hier noch weitere Details. Die Eingangsimpedanz des SSL SiX CH beträgt 1,2 Kiloohm am Mikrofon-Eingang, 10 Kiloohm am Line-Eingang und ein Megaohm im Hi-Z Modus. Das äquivalente Eingangsrauschen liegt bei weniger als -127,5 dBu (typisch -129 dBu), was ein hervorragender Wert ist und die Erwartung schürt, dass der Preamp in der Praxis sehr rauschfrei arbeitet. Die harmonischen Verzerrungen liegen bei weniger als 0,0015 % gemessen mit +20 dBu bei 1 kHz. Den Frequenzbereich gibt SSL zwischen 20 Hz … 20 kHz mit einer minimalen Abweichung von +0,1 bei 20 Hz bzw. -0,3 dB bei 20 kHz an. Dieser reicht weit hinauf bis über 100 kHz wobei hier ein natürlicher -3 dB HF Roll-Off auftritt. Durch den ausgedehnten Übertragungsbereich wird sich der Preamp auch sehr gut mit Spezialmikrofonen, wie dem 100-kHz-Mikrofon Sanken CUX-100K verstehen.

Praxis

SSL Six CH Pro in Rack

Der Einbau ins 500er Rack erfolgt ohne Probleme. Durch den logischen Aufbau und die gut lesbare Beschriftung findet man sich sofort zurecht. Ich selbst bin ein Freund von Preamps mit Übertragern im Schaltkreis, daher muss sich der SSL SiX CH in meinem Rack gegen Kollegen aus dem Hause API bzw. Electrodyne behaupten. Aber auch die transformatorlosen Vorverstärker des RME UFX ziehe ich zum Vergleich heran. In puncto Rauschen und Gain-Reserven muss sich das knapp 183 Gramm leichte Fliegengewicht nicht vor der Konkurrenz verstecken. Das Rauschen ist kaum wahrnehmbar und auf ähnlich niedrigem Niveau wie bei RME oder API. Zudem liefert der SSL SiX CH die höchste Vorverstärkung aller Testkandidaten.
Hervorzuheben ist: die Gain-Werte steigen kontinuierlich und nicht nur auf den letzten Millimetern, wie man das von anderen preisgünstigen Geräten kennt.

Als Anwender fühlt man sich bei der Benutzung des SiX sehr schnell „zu Hause“ und in der Praxis fällt die hohe Arbeitsgeschwindigkeit auf, mit der sich Aufnahmen optimieren lassen. Aufgrund der natürlichen Übertragungseigenschaften arbeite ich selbst beispielsweise gerne mit Bändchenmikrofonen. Diese tragen untenrum manchmal sehr dick auf und oft steht ihnen in den hohen Frequenzen eine kleine Anhebung gut. Kein Problem mit dem SSL SiX: Nach Aktivierung des HPF klingt der Bass deutlich kontrollierter und eine minimale Anhebung mit dem Hi-Shelving Filter lässt das Signal der Akustikgitarre sofort “Mix-Ready” werden

Bei der Arbeit mit Großmembran-Mikrofonen kann es wiederum von Vorteil sein, in den höheren Lagen die S-Laute einzudämmen. Hier bietet sich der Hi-Bell Filter an, mit dem sich dieser Bereich ein wenig entzerren lässt.

Neben “chirurgischen” Eingriffen, verführt der SSL SiX EQ mit Regelwegen von +/- 15 dB aber auch immer wieder zu deutlich klangmalerischen Experimenten. Wie klingt etwa die Amp-Aufnahme, wenn ich die oberen und unteren Frequenzen stark beschneide? Ohne den Computer bedienen zu müssen lässt sich das sofort testen. Der direkte Zugriff zu “echten” Reglern hat einen positiven Einfluss auf die Arbeitsweise - klar kann man EQ-Einstellungen in der Postproduktion bequem vom Bildschirm aus einstellen, aber der SSL SiX fordert die Ohren heraus und fördert die Kreativität schon bei der Aufnahme.

Das gefällt mir, denn der Einsatz von Hardware führt nach meiner Erfahrung meist zu einer intensiveren und meistens auch befriedigenderen Auseinandersetzung mit der Klangquelle. Bei Synthesizern oder E-Bässen gefällt mir der Bass-EQ sehr gut und dank der Umschaltfunktion zwischen Bell und Shelving, lassen sich viele verschiedene Arten von "Bottom End" realisieren. Sogar eine Art Pultec-Trick ist möglich, wenn man den HPF aktiviert und gleichzeitig den Bass verstärkt.

Der Kompressor verdichtet das Signal leicht, was etwa bei Sprachaufnahmen eine sehr gute Figur macht. Weder mit ausklingenden Nachhallfahnen bei Instrumenten, noch mit starken Transienten ergeben sich Probleme, auch kann ich keine hörbaren Artefakte erkennen, wie ich sie bei anderen preisgünstigen Kompressoren schon wahrgenommen habe. Dank seiner einfachen Handhabung wird der Kompressor für viele Anwender das tun, was man sich in erster Linie von einem Kompressor erwartet - das Signal einfach ein wenig zu verdichten und Pegelspitzen zu kontrollieren. Gerade Anfänger die bisher mit Kompressoren wenig Erfahrung haben werden damit gut zurechtkommen.

Sehr gut finde ich die Tatsache, dass SSL sowohl dem Kompressor wie auch dem EQ einen On/Off Schalter spendiert hat. Um Kosten zu sparen hätten das andere Hersteller vermutlich mit 0-dB-Stellungen umgesetzt, aber mit den dezidierten Schaltern ermöglicht SSL dem Anwender schnelle A/B-Vergleiche. Man hört sofort, wie das Signal mit bzw. ohne EQ oder Kompressor klingt. Ein kleines aber feines Detail, das dazu beiträgt, mit dem SSL SiX CH schnell den richtigen Sound zu finden.

Fazit

Mit dem SiX CH liefert SSL einen flexibel einsetzbaren Channelstrip, der Profis und API-500-Einsteiger gleichermaßen glücklich machen wird. Es ist alles mit an Bord, was man sich von einem Kanalzug wünschen kann. Sehr hohe und rauschfreie Vorverstärkung, Hochpassfilter, Phasendreher, Hi-Z und Line-Eingang sowie eine überraschend flexibel EQ Sektion und sogar ein einfach zu bedienender Kompressor. Trotz des hohen Funktionsumfangs ist das Layout verständlich und übersichtlich.

Auch bei der Verarbeitung geht SSL keinerlei Kompromisse ein. Der Preis von 449 Euro ist als sehr preiswert anzusehen, zumal der SiX CH im Test keinerlei Schwächen offenbart. Absolute Empfehlung diesen praktischen Kanalzug bei Gelegenheit einmal anzutesten.

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