Microtech Gefell Generation 4
modulares Kondensator-Mikrofonsystem
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Schon zur Tonmeistertagung 2023 kündigte Microtech Gefell die neue Generation 4 Mikrofonserie an. Man hat sich Zeit genommen, die Serie intensiv vorab im praktischen Einsatz zu testen und zu optimieren. Seit 2025 ist sie nun erhältlich.
Entwicklung
Zunächst werden sich sicherlich viele fragen, wie es denn zu der Bezeichnung Generation 4 kommt, den eine so offensichtliche Generationenbezeichnung gab es ja früher gar nicht. Blicken wir also etwas zurück. Das CMV 3 mit der M7-Kapsel mit PVC-Membran aus dem Jahr 1936 begann alles und das könnte man daher als Generation 1 bezeichnen. 1950 folgte dann das CMV563 - M7S Röhrenmikrofon, was man also Generation 2 bezeichnet und in den 70er Jahren dann mit SMS 70 und SMS2000 die Generation 3, Produkte bis zum heutigen Zeitpunkt. Die Zukunft heißt aber MV400 Vorverstärker mit M4x Kapseln. Die Serie Generation 4 modular aufgebaut und man kann Vorverstärker und Kapseln mit verschiedenen Richtcharakteristiken beliebig kombinieren. Getrennte Vorverstärker und Kapsel gabe es eigentlich ja schon seit der ersten Generation. Nun aber richtig modular.
Zur Entstehungsgeschichte sagte uns Udo Wagner, Director Sales & Marketing von Micotech Gefell, in einem Gespräch noch folgendes: "Christian Birkner von der HTWK Leipzig und René Rodigast vom Fraunhofer IDMT aus Ilmenau sind ziemlich zeitgleich an auf uns zugekommen und teilten mit, dass es in beiden Einrichtungen ein großes Interesse an der Entwicklung einer Mikrofonserie mit besonderen Eigenschaften gibt. Hier gab es auch konkreten Bedarf für die Anschaffung solcher Mikrofone, zum Beispiel für 3D-Projekte. Gleichzeitig waren wir dabei unsere Modularserie neu zu überdenken und dabei aber bewährte Traditionen mit zu berücksichtigen."
Wer sich übrigens über die Geschichte der Mikrofone und der Firma Microtech Gefell informieren möchte, dem empfehlen wir, sich das Video zur Geschichte und dem Hausmuseum anzuschauen: https://youtu.be/Y91_ZmwZUu8. Dort erfährt man auch die Zusammenhänge über die Ursprünge mit dem Mikrofonhersteller Neumann. Zudem haben wir über die Generation 4 auch ein Vorstellungsvideo bei proaudio.tv veröffentlicht: https://youtu.be/CAFh8dH9_XQ.
Kapseln
Alle Mikrofonkapseln sind Kondensatorkapseln mit einer PE-Membran und die gleiche Bauart wie die der Serie SMS 2000. Der Durchmesser des Metallgehäuses beträgt 21 mm und die Höhe bei allen Kapseln 26 mm. Damit sind die Kapseln der Generation 4 von Microtech Gefell ähnlich groß wie viele andere modularen Studio-Stäbchenmikrofone (Schoeps Colette 20 mm, Neumann KM-Serie 22 mm, sE8 23 mm). Die Bezeichnung Kleinmembranmikrofon ist aber eher als Understatement für diese Mikrofongruppe zu verstehen.
Zurzeit des Tests wurden Kapseln mit vier Richtcharakteristiken angeboten und zwar:
- M40 Niere
- M41 Superniere
- M42 Kugel
- M43 breite Niere
Technische Daten
Wir möchten hier auch noch kurz die wichtigsten technischen Daten der einzelnen Kapseln vorstellen. Der Übertragungsbereich aller Kapseln wird vom Hersteller mit 20 Hz bis 20 kHz angegeben und der Dynamikumfang mit 132 dB, bzw. mit der M 43 133 dB. Hier einmal eine Übersicht weiterer Daten in Form einer Tabelle. Die Werte sind mit einem MV 400 Vorverstärker gemessen.
| Model | Empfindlichkeit 1 | Rauschen2 | Störabstand 3 | Max. SPL 4 |
|---|---|---|---|---|
| M 40 | 13 mV/Pa | 25 dB | 69 dB | 146 dB |
| M 41 | 14 mV/Pa | 23 dB | 71 dB | 146 dB |
| M 42 | 15 mV/Pa | 25 dB | 69 dB | 145 dB |
| M 43 | 11 mV/Pa | 26 dB | 68 dB | 148 dB |
1 @ 1 kHz | 2 CCIR 468-4 | 3 1 Pa @ 1 kHz, CCIR-gewichtet | 4 @ 0,5 % THD
Verstärker
Es gibt zwei Vorverstärker, die in SMD-Technik aufgebaut sind und sich lediglich im Anschluss unterscheiden. So ist der MV 400 X mit einer XLR-3-M-Buchse ausgestattet und der MV 400 L mit einem LEMO-Anschluss. Die Technischen Daten sind daher bei beiden Modellen identisch. Nur die Länge des Verstärkers ist bei den Modellen unterschiedlich. So ist der MV 400 X ohne Stecker 75 mm lang und der MV 400 L lediglich 46,5 mm. Neben den Kapseln der Generation 4 lassen sich auch die Kapseln der SMS 2000-Serie mit den MV 400 einsetzen.
Gespeist werden die Verstärker mit 48-Volt-Phantomspeisung. Der Betriebsstrom beträgt ca. vier Milliampere. Die Impedanzwandlung erfolgt ohne Übertrager mit einer Transistorschaltung. Die Ausgangsimpedanz beträgt 100 Ohm. Microtech Gefell gibt den maximalen Ausgangspegel bei 0,5 % THD und 1 Kiloohm Last mit 17,2 dBu an.
Zubehör
Angeboten werden die Komponenten, also Vorverstärker, Kapseln und Zubehör, alle einzeln. Es gibt eine Aufbewahrungsbox MC 4.01 (s. Abb. oben) für vier Kapseln, einem Vorverstärker und der Mikrofonhalterung MH 93.1. Weiteres Zubehör ist zum Beispiel die Mikrofonklemme MH 22 und den Windschutz (s. Abb. unten) W21.
Es gibt darüber hinaus auch ein Tischständer (s. Abb. oben) TS 10 mit Gewinde, so dass sich die Mikrofonhalterung mit dem Vorverstärkermodul und Kapsel direkt auf den Ständer aufschrauben lässt.
Praxis
Wir haben für den Test mit der Generation 4 sowohl Flügel, Sprache als auch Perkussion aufgenommen und auch mit verschiedenen, anderen modularen Mikrofonen mit ähnlichem Kapseldurchmesser verglichen. Den allgemeinen Klangcharakter würde ich als sehr neutral mit einer leicht warmen Note beschreiben. Klanglich liegen die Kapseln mit Druckgradienten-Empfänger M 40, M 41 und M 43 eng beieinander. Hypernieren sind ja manchmal klanglich problematischer als andere Richtcharakteristiken, aber auch für höchste Ansprüche hätte ich keine Bedenken die Hyperniere M 43 für Instrumentenaufnahmen einzusetzen. Klanglich klingt die M 42 mit Kugel-Richtcharakteristik etwas unterschiedlich zu den anderen. Einmal ist naturbedingt der Bass etwas präsenter und voller, so wie man das von Druckempfänger-Kapsel gewohnt ist. Weiter ist sie aber etwas präsenter in den Höhen. Das dürfte auch an dem Verlauf des Übertragungsbereichs liegen, denn bei knapp unter 10 kHz ist eine Anhebung von ca. 9 dB zu verzeichnen. Das ist etwas mehr als bei den meisten Kapseln mit Kugel-Richtcharakteristik. Besonders bei größeren Distanzen zur Schallquelle macht sich das aber positiv bemerkbar. Aber auch bei normalen Abständen hatten die Perkussion-Aufnahmen (aufeinandergeschlagene Holzstäbe) etwas mehr Transienten als die Vergleichsmikrofone.
Aber nicht nur der Klang ist natürlich für die Wahl eines Mikrofons ausschlaggebend. Herausstellen muss man die Kompaktheit der Mikrofone. Selbst die größere Variante mit XLR-Buchse ist ohne Stecker nur 101 mm lang, die mit Lemo-Stecker nur 73 mm. Gerade bei Aufnahmen von Konzerten, die auch auf Video aufgezeichnet werden, ist die Sichtbarkeit oder besser gesagt die Unsichtbarkeit eines Mikrofons, ein wichtiger Faktor und hier bietet die Generation 4 schon gegenüber vielen anderen einen Vorteil. Auf eine Kapselvordämpfung und ein Hochpassfilter hat man verzichtet. Aber wenn man sich den maximalen Schalldruck betrachtet scheint eine Vordämpfung auch nicht unbedingt erforderlich zu sein.
Fazit
Die Mikrofonvorverstärker MV400X und MV400L kosten ca. 770 Euro und die Preise der einzelnen Kapseln liegen bei ca. 840 Euro. Sets werden nicht angeboten, da die Serie ja einen modularen Charakter aufweist. Also für ein komplettes Mikrofon ca. 1.600 Euro. Den Preis finden wir bezogen auf die hohe Klangqualität und Verarbeitung als absolut angemessen. Man spielt hier ja auch halt in der oberen Liga mit. Für ca. 80 Euro gibt es auch noch ein Aufbewahrungs-Etui für einen Vorverstärker und Kapseln.
Sicherlich wird es nicht nur bei den Kapseln bleiben die zurzeit des Tests angeboten werden. Ich könnte mir zum Beispiel eine Kapsel mit Kugel-Richtcharakteristik vorstellen, die etwas mehr auf Direktschalleinsatz, bzw. für nähere Schallquellen ausgelegt ist. Microtech Gefell hat ja auch noch andere Serien im Programm deren Konzepte man sicherlich auch noch in die Generation 4 einarbeiten könnte. Für die Zukunft ist also für die Generation 4 noch ein großes Erweiterungspotential vorhanden. Wir sind gespannt wie man diese bemerkenswerte Serie weiter ausbaut.
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