Thomas Geiger produziert in Dolby Atmos
Foto: Sascha Pace
Dolby Atmos hat die Bereiche von Pop, Klassik und elektronischer Musik bereits erobert – jetzt kommen Rock und Metal. Einer der wichtigsten Namen in diesem Zusammenhang ist Thomas Geiger, der in seinem Berliner Studio Bands wie Blind Guardian, Helloween und Rage in immersive Form bringt. Thomas Geiger kam bereits in früher Kindheit zur Musik. „Ich habe schon mit sechs Jahren Schlagzeug in der Band meines Vaters gespielt“, erzählt er. „Später kamen noch Cello und Klavier dazu.“ Eine eher ungewöhnliche Kombination, die aber bereits die Vielseitigkeit erkennen lässt, die Geigers Tätigkeit als Tonschaffender heute noch kennzeichnet. Der Weg führte schließlich von der Cover-Band nach Graz zum Toningenieurs-Studium. Dort entstand auch die Liebe zu dreidimensionalem Audio. „Die Uni Graz hat mehrere 3D-Audio-Studios und war schon immer sehr weit vorne dabei in der Entwicklung von entsprechenden Techniken“, erklärt Geiger. „Ich habe jede freie Minute in diesen Räumen verbracht und experimentiert und aufgenommen und gemischt.“
Das erste eigene Studio nach dem Studium war direkt in einem der legendärsten Standorte Deutschlands untergebracht: das ehemalige Funkhaus in der Nalepastraße in Berlin. Immersiv wurde Geiger aber erst wieder, als er in sein heutiges Studio umzog – direkt gegenüber vom berühmten RAW-Gelände. „Ich habe hier den direkten Blick auf den Ausgehbereich im Berliner Osten, das ist schon sehr charmant.“ Fast so charmant wie das 7.1.4-System, auf dem Geiger seine Mischungen macht. „Mehr geht in diesen Raum nicht sinnvoll rein. Aber ich kann bei Bedarf auch das MSM Studio von meinem Freund Stefan Bock nutzen, um nochmal Referenz zu hören.“
Geigers eigenes System muss sich dabei keinesfalls verstecken. „Ich habe ein gemischtes System“, beschreibt er die Zusammenstellung seines Monitor-Setups. „Schon seit der Uni habe ich Meyer Sound HD1 als Hauptabhöre. Die Lautsprecher kenne ich dementsprechend gut, und sieben davon bilden die Monitore auf Ohrebene. Ich hätte am liebsten noch vier davon an die Decke gehängt, das trägt die Decke in meinem Raum aber nicht. Daher habe ich mich für die leichteren KH80 DSP von Neumann entschieden. Als Subwoofer habe ich einen Genelec 7070.“
Auf diesem Monitor-System erstellt Geiger seine immersiven Klanglandschaften, wobei er je nach Projekt verschiedene Ansätze verfolgt. „Am meisten interessieren mich das Dokumentarische und das Surreale“, führt Geiger aus. „Einerseits das Dokumentarische: Ich mache im Sommer einige Projekte im Broadcast-Bereich für Bands und Festivals. So bin ich zum Beispiel auf Wacken schon seit einigen Jahren vor Ort und betreue den Livestream von den Bühnen für Magenta Telekom. Da geht es natürlich darum, etwas Authentisches zu schaffen, sodass du beim Hören das Gefühl bekommst, auch in der Menge zu stehen.“ Bei Studioproduktionen dagegen verfolgt Geiger ein anderes Ziel. „Da ist es mir ziemlich egal, wie authentisch etwas klingt. Es geht darum, surreale Klanglandschaften zu erzeugen, den Hörer durch verschiedene Welten zu schicken oder in verschiedene Situationen zu transportieren. Es geht um Gefühle.“
Obwohl Thomas Geiger sich grundsätzlich für alle Genres offen zeigt und auch in ganz verschiedenen musikalischen Bereichen arbeitet, hat er sich inzwischen besonders im Heavy Metal einen Ruf als Mischer für Dolby Atmos erarbeitet. Genau dieses Genre ist nun auch oft besonders tückisch ins immersive Format zu überführen. „Metal ist in der Tat eine technische Herausforderung“, gibt Geiger zu bedenken. „Die Bands produzieren meistens nicht für Dolby Atmos und sind kaum dazu zu bewegen, nochmal doppelt so viele Gitarrenspuren anzuliefern. Ich muss also mit dem arbeiten, was ich bekomme. Wenn man aber die Gitarren aus Stereo in den dreidimensionalen Klangraum bewegt, verlieren sie die brachiale Wucht – und das überzeugt vor allem die Gitarristen dann oft nicht so richtig.“
Zu viel Bewegung im Mix tut Metal oft auch gar nicht gut. „Man macht den Mix ja nicht für die Lautsprecher, sondern für den emotionalen Content, und den muss man sich erstmal erarbeiten. Oft rufe ich die Band dann nochmal an und bespreche, worum es gehen soll. Wann sollte sich etwas bewegen? Wo will man Effekte einsetzen? Gerade bei Metal ist das wirklich sehr empfindlich. Sobald sich da zu viel bewegt, wird es enorm anstrengend, teilweise fast unhörbar. Ich bleibe also oft bei einem eher konservativen Klangbild und hebe dann mit einzelnen Effekten bestimmte Teile heraus.“ Es gibt aber auch hier Projekte, die sich besonders eignen. „Ich habe eine Band gemischt, Ater aus Chile. Heftige Musik, enorm runtergestimmte Gitarren, extremer Gesang, dazu sehr progressive Songstrukturen. Das macht Spaß, und da kann man in Dolby Atmos wirklich Transparenz schaffen. Jedes Instrument kriegt da seinen Platz.“
Wenn Dolby Atmos für einen kreativen Toningenieur wie Thomas Geiger bereits die Gegenwart ist, was hält dann die Zukunft bereit? „Ich glaube, dass das Thema wirklich an Fahrt gewinnt. Gerade für den Metal-Bereich kann ich mir vorstellen, dass sich das Format wirklich gut eignet und auch langfristig durchsetzen kann.“ Und abgesehen vom Metal? „Ich wünsche mir, dass Dolby Atmos auch im Broadcast weiter etabliert wird. Das wäre großartig für die dokumentarische Arbeit.“
Der Weg in die akustische Dreidimensionalität führt momentan für Geiger nicht an Dolby Atmos vorbei. „Ich kann mich erinnern, wie wir früher mit Behelfs-Signalflüssen gearbeitet haben, um die Lautsprecher zu beschicken. Dolby hat hier inzwischen ein so solides Werkzeugset geschaffen, dass die Arbeit in Dolby Atmos einfach von der Hand geht. Das ist gerade für Profis wie mich natürlich ein enorm wichtiger Faktor.“