Die High Tide Tonstudios

Eigentlich wollten wir über die interessanten Aktivitäten der High Tide Studios i  Hennef schon im Jahr 2021 berichten, doch manchmal kommt es leider anders als man denkt. Die Hintergründe lernt man in unserem Interview kennen, was wir nun 2022 nachgeholt haben. Mittlerweile hat sich vieles verändert aber eines ist geblieben: nämlich das 3D-Audio schon lange seinen festen Bestandteil im Produktionsalltag bei den High Tide Tonstudios hat.

proaudio.de: Vielleicht stellt Ihr Euch als erstes einmal vor …

SimonWegenerFotografie High Tide Tonstudio 04

Lennart Damann: Ich bin Lenni, 31 Jahre alt und seit sehr vielen Jahren selbstständig als Musikproduzent und Audio-Engineer tätig.

Benedikt Ernst

Benedikt Ernst: Ich bin Bene, 24 Jahre, und mache gerade meinen B.Eng mit dem Schwerpunkt Tontechnik und 3D-Audio an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Seit anderthalb Jahren bin ich neben meinem Studium im High Tide Tonstudio als Engineer vor allem für 3D-Produktionen tätig.

Tobi Studio Frontal

Tobias Bartsch: Ich bin Tobi, 29 Jahre alt und seit sieben Jahren Hauptberuflich als Komponist und Sound Designer für Film und Werbung, Pianist und Musikproduzent tätig. 2016 habe ich mein Klavier-Studium an der Drury University in den USA abgeschlossen und wohne seitdem wieder in Deutschland.

proaudio.de: Wann habt Ihr denn mit dem Studio, bzw. den Studios begonnen?

SimonWegenerFotografie High Tide Tonstudio 02

Foto: Regie A

Lenni: Die High Tide Studios wurden Anfang 2011 in den Räumlichkeiten der ehemaligen Coconut Studios gegründet. Dort haben mein damaliger Kollege und ich die ersten kommerziellen Produktionen umsetzen und nach unserem Studium erstmals in der “echten Welt” Erfahrungen sammeln können. Gegen Ende 2013 wurde der gesamte Gebäudekomplex verkauft und wir mussten uns was Neues suchen. Da wir von Coconut fast alles an Equipment übernommen hatten, zogen wir Anfang 2014 mit Mischpulten, Instrumenten und Co. in die ehemaligen Rüssmann Studios, die nicht weit von den Coconut Studios, ebenfalls in Hennef, lagen. Da die Rüssmann Studios schon seit vielen Jahren nicht mehr in Betrieb waren, war eine Kernsanierung angesagt. Zusammen mit Markus Bertram von MBAkustik planten wir die neuen High Tide Studios mit zwei Aufnahmeräumen und zwei Regieräumen. Einzige Voraussetzung für das Unterfangen war: Es muss akustisch wirklich auf höchstem Niveau sein.

Von Januar bis Oktober 2014 rissen wir also das alte Rüssmann Studio ab und bauten von Grund auf neue und moderne High Tide Studios - inklusive neuer Wände und Raumaufteilung, neuer Infrastruktur, Akustik und Ausstattung. Ich betreibe die High Tide Studios zurzeit alleine und bin dennoch nicht einsam. Wir sind hier vor Ort eine Gemeinschaft von mehreren Einzelunternehmern, die aber dennoch fast täglich zusammen arbeiten.

Im Fall von Benedikt wird sich in der nächsten Zeit noch etwas verändern, da er plant 2023 hier in die Gegend zu ziehen und in irgendeiner Art und Weise Teil des Studios zu werden, da müssen wir noch ein wenig detaillierter darüber sprechen. Er kam im zweiten Quartal 2021 als Student/Praktikant zu High Tide und ist quasi ein Teil der Familie geworden, auch über das Praktikum hinaus. Seitdem buche ich ihn bei Dolby Atmos-Produktionen als Engineer dazu.

Tobi: Teil meines Studiums in den USA war ein Pflichtpraktikum in einem Branchen-nahen Feld. Ich fragte bei meinem ehemaligen Bandkollegen Lenni an ob ich dies vielleicht bei ihm in seinem Studio absolvieren könnte. Da die Jungs 2014 gerade in das neue Studio umzogen und noch einiges zu renovieren war, waren sie über jede Hilfe dankbar. Also flog ich für neun Monate “Auslandssemester” in die Heimat zurück um beim Umbau mitzuhelfen und dabei noch einiges an Eindrücken zum Thema Akustik, Studio Konzeption und Tontechnik mitzunehmen.

Da ich mich 2016 unmittelbar nach meinem Studium selbstständig machte, musste ich das erst Jahr in meinem Schlafzimmer schreiben und produzieren. Durch einige glückliche Zufälle durfte ich die Musikproduktion für sämtliche Video- und Social-Media-Produktionen von Mozilla Firefox übernehmen was mir direkt zu Beginn meiner Karriere ein solides, verlässliches Grundeinkommen sicherte und mir ermöglichte in ein eigenes Studio zu investieren.

Nach erfolgloser Suche im Kölner Raum fragte ich bei Lenni an ob nicht noch ein Raum bei ihm im Studio verfügbar wäre, und entschied mich einen bisher ungenutzten Raum zur Regie umzubauen sowie seine Räumlichkeiten mit zu nutzen.

proaudio.de: Lennart, wir wollten uns ja schon 2021 zu einem Interview zusammenfinden aber da gab es bei Euch im Studio ein Problem. Berichte uns doch mal.

Lenni: Ja, was für ein Jahr… Ich habe hier im Studio eh einen Wandel vollzogen, da ich mich in Zukunft in einer der Regien mehr und mehr auf Immersive Audio und Dolby Atmos konzentrieren möchte. Und genau zu dem Zeitpunkt, an dem es etwas Klarheit in Planung und Absicht gab und die ersten Projekte starten konnten, hat uns hier in Hennef eine Jahrhundertflut erwischt. Das war etwa einen Monat vor Ahrweiler.

Hier hat es über viele Stunden so heftig geregnet, dass wir nur noch zuschauen konnten wie unser Studio volllief. Unser Studio liegt zwar oben auf dem Berg mit einem schönen Blick über das Tal und man kann sich fragen, wie wir hier von der Flut betroffen waren, aber solche Regenmassen bahnen sich auch ihren Weg den Berg hinunter und unser Studio stand halt im Weg. Zusammen mit der Feuerwehr habe ich noch Equipment und Klaviere aus dem Wasser rausgetragen. Alle Räume zum Berg hin waren betroffen, Aufnahmeräume, Tobis Regie und unser Immersive Sound Studio.

Tobi: Als ich dazu kam, stand meine Regie ca. 30 cm unter Wasser. Bis spät in die Nacht haben wir mit der Feuerwehr die Räume leer gepumpt und mit Familie und Freunden so gut es geht alles trocken gewischt und Equipment in andere Räume getragen. Was dann folgte waren vielleicht die anstrengendsten Tage, Wochen oder vielleicht auch Monate, die wir je hatten. Sowohl körperlich durch das viele Räumen und später auch der Abriss und Wiederaufbau, als auch mental, da man sein Studio in einem nicht mehr nutzbaren Zustand sieht und nicht mehr arbeiten kann. Einfach eine ungewisse Zeit… und wir wissen ja alle wie Versicherungen sind. Es zieht sich und zieht sich, alles wird kleingeredet und die haben alle Zeit der Welt.

Lenni: Am Ende ist irgendwie doch alles gut gegangen, aber es hat sich halt gezogen. Man ist da ja auch machtlos. In der Zwischenzeit konnten wir nicht wirklich arbeiten. Kunden konnten wir auch nicht wirklich ins Studio holen, selbst wenn eine Regie nicht betroffen war, aber wenn der Inhalt von vier Räumen in der Lobby und dieser einen Regie gelagert wird und nebenan Baustellen sind, dann ist das keine wirkliche Möglichkeit.

Und solche Ereignisse können ja auch Anlass für Veränderung sein. So haben wir Regie B nach der Überflutung nochmals etwas verändert und uns von unserer Sony Oxford R3 Konsole verabschiedet. Sie ist zwar vom Workflow her für Musikproduktionen noch immer super, ist aber im Bezug auf 3D-Audio-Produktionen nicht einsetzbar, daher musste sie einer neuen und flexibleren Controller-Lösung weichen. Auf den schönen Bildern ist die Sony Konsole zwar noch zu sehen, aber professionelle Bilder der Regie B mit dem neuen Controller müssen wir erst noch machen lassen.

Tobias Bartsch Studio LED layered merged

Foto: Regie C von Tobias Bartsch FIlmmusik

proaudio.de: Ihr habt ja drei Studioräume eine Recording Regie, die Immersive-Audio-Regie und eine Regie für Filmmusik.

Lenni: Die High Tide Studios liegen hier auf einem ehemaligen Bauernhof im Grünen. Insgesamt haben wir hier drei Regieräume, zwei Aufnahmeräume, Technikraum und Lobby auf circa 250 qm Fläche plus eine schöne Terrasse mit Blick über das Tal mit Pferdeweiden.

Regie A ist eine Regie, die voll auf Produktion, Recording, Mixing und auch Mastering von Musik ausgelegt ist. Hier produziere ich am liebsten “handgemachte” Musik: Acoustic Folk, Singer-Songwriter, Neo-Klassik oder Pop. Ich liebe es, mit echten Instrumenten und guten Stimmen zu arbeiten. Die Auswahl des Equipments hat also auch immer einen Nutzen für genau diese Musikrichtungen. Mein Workflow dreht sich hier um eine SSL AWS 948 Delta Konsole, da sie für mich genau die richtige Größe hat, um alles aus dem Sweetspot zu erreichen und die Möglichkeit des DAW Controllers und Stereo Channels in der gesamten Konsole passt für mich einfach in einen Workflow in 2022.

Auch wenn heute viel “In The Box” passiert, bin ich noch immer ein Freund davon, schon bei der Produktion und im Recording Entscheidungen zu treffen. Und die treffe ich auch soundmäßig mit einer wachsenden Auswahl an Mikrofonen und Outboard Equipment.

High Tide Studio Live Room 1

Foto: Live Room 1

Die zwei Aufnahmeräume sind ebenfalls so ausgestattet, dass man als Künstler oder Band dort lange und gemütlich arbeiten kann. Es soll also nicht nur ein Arbeitsraum sein, sondern auch ein kreativer Ort. Der kleine Aufnahmeraum ist komplett Raum in Raum entkoppelt und circa 12 qm groß, dieser wird oft zur Isolation von Amps genutzt, aber auch Drums habe ich hier schon aufgenommen oder Gesang. Der große Aufnahmeraum ist etwa 55 qm groß und somit auch groß genug für Live-Recordings oder zum Beispiel Klavier- und Flügel-Aufnahmen. Seit der Überschwemmung steht dort zwar eine in Folie verpackte Sony Oxford R3 Konsole - aber die wird zurzeit verkauft.

Bene: Spätestens seit der ungewollten Renovierung ist Regie B quasi nur noch auf den Workflow für Immersive-Audio-Produktionen und vor allem Dolby Atmos ausgelegt – das ist auch genau mein Schwerpunkt. Dort wo vorher eine Sony Oxford R3 Console stand, steht jetzt ein Custom Controller von MakePro X. Der Controller ist von uns für das Mischen von 3D-Audio konzipiert und deutlich kompakter als die Oxford. Das schafft Platz, den man bei langen Sessions zum Beispiel für einen kleinen Perspektivwechsel nutzen kann. Natürlich mische ich hauptsächlich im Sweetspot, aber von Zeit zu Zeit lohnt es sich eben doch den Mix mal von anderen Stellen im Raum zu hören.

Als ich das erste Mal in dem Raum Musik gehört habe, war ich total begeistert, der Raum klingt einfach großartig. Mittlerweile weiß ich die absolut präzise Abhörsituation sehr zu schätzen und kann mich komplett auf das verlassen, was aus den Lautsprechern kommt, ohne dabei groß nachdenken zu müssen. Zum Referenzhören haben wir einen Dolby Atmos fähigen AV-Receiver und einen Apple TV. Damit hören und analysieren wir dauernd neue Dolby Atmos Releases. Ich freue mich jeden Freitag darauf die neuen Veröffentlichungen zu durchstöbern und anzuhören. Dabei begeistern mich vor allem die Songs, die sich von einer Art Stereo-Upmix lösen und tatsächlich immersiv sind und das Format 3D-Audio auch wirklich ästhetisch zu nutzen wissen.

Lenni: Leider ist das zurzeit noch eine Seltenheit. Wenn Bene und ich die neuen Dolby Atmos Releases analysieren, dann gibt es schon auch viele Mixe, die sehr konservativ wirken, sich also nicht ganz von Stereo lösen wollen – anstatt das Potential von Dolby Atmos auszuschöpfen und dieses ja noch recht neue Medium auch kreativ zu nutzen.

Bene: Genau diese kreativen Möglichkeiten eines 3D-Systems nutzen wir in unseren Mixen bestmöglich aus und testen auch immer wieder ihre Grenzen. Das heißt natürlich nicht, dass alles immer wild durch den Raum fliegt oder sich permanent im Kreis dreht, sondern vielmehr, dass wir mit dem ganzen Raum spielen, sodass Zuhörer in die Musik eintauchen kann. Dadurch bekommt ein Stereo-Mix nicht nur eine Bühne, sondern wird zu einer natürlichen Immersion. Da das Ergebnis leider sehr vom Ausgangsmaterial abhängig ist, arbeiten wir bei externen Produktionen immer eng mit den Produzent*innen zusammen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Bei eigenen Produktionen experimentieren wir viel mit verschiedenen Methoden zum Erzeugen dekorrelierter Signale, die einer 3D-Produktion ihre tatsächliche Immersion verleihen können.

Tobi: Meine Regie wird derzeit als Kompositions- und Produktionsregie genutzt, das heißt wir arbeiten größtenteils “in the box”, mit der Ausnahme von analogen Instrumenten und Amps. Für Aufnahmen mit Ensembles nutzen wir Lennis Regie A in Verbindung mit dem Großen Aufnahmeraum.

Ich persönlich schreibe und produziere Musik und erstelle Sounddesign für Film, Werbung oder Industrieprojekte, hierbei komponiere ich entweder direkt Bildbezogen und quasi Frame-genau oder die Filmcrew schneidet ihr Material zu meiner Musik. Als Pianist schreibe ich gerne Klavier-lastige Scores (Olafur Arnalds, Thomas Newman) bin aber in fast jedem Genre zuhause. Ich liebe die kreative Freiheit die Filmmusik mit sich bringt und die Verantwortung für alle Aspekte des “Produktes” (Komposition, Arrangement, Produktion, Mix, etc) verantwortlich zu sein.

Bis 2020 spielte ich außerdem noch viel Live, wobei ich auch regelmäßig neue Musiker kennenlernte und zum Songwriting und für Produktionen ins Studio einlud. So zum Beispiel auch die beiden Jungs von “Amistat” die mittlerweile all ihre Musik von Songwriting, Produktion und Master bis zum Dolby Atmos-Mix mit uns gestalten. In meinem Tätigkeitsfeld als Filmkomponist komme ich häufiger in Berührung mit der Wirkung von Musik in verschiedenen Speaker Setups und habe oft den direkten Vergleich des gleichen Materials in Stereo und Surround / Dolby Atmos. Mein grundlegendes Fazit nach einigen Produktionen in Dolby Atmos: Atmos ist für den Musikkonsum einfach unschlagbar und eröffnet komplett neue Welten, nicht nur im Bild bezogenen Bereich. Bereits beim Songwriting oder Komponieren die Möglichkeiten von Dolby Atmos im Hinterkopf zu haben hat sich bisher immer ausgezahlt. Konkret heißt das zum Beispiel einfach mehrere Dopplungen oder Layers mit zu arrangieren und aufzunehmen, als man für Stereo-Mixes benötigen würde. Auch harmonische Voicings im Raum zu verteilen oder rhythmische Delays die in Stereo hektisch oder überladen wirken würden, werden in Atmos plötzlich möglich.

proaudio.de: Ihr habt ja bereits schon vor einiger Zeit immersive Audio-Produktionen durchgeführt unter anderem ja auch für Daimler.

Tobi: Eines meiner letzten größeren Projekte war eine Auftragskomposition für Burmester und Daimler für die Mercedes S-Klasse. Gefragt war ein Titel für die Sound-Personalisierung welche fest in allen Fahrzeugen verbaut ist. Dabei wurde der Mix genau auf die in den Fahrzeugen verwendeten Burmester Lautsprecher abgestimmt und die Musik vor Ort im Fahrzeug gemischt. Im Moment haben wir für Folgeprojekte gelegentlich Daimler Werksfahrzeuge mit Burmester 4D Immersive Audio im Studio um Musik zwischen unserer Dolby Regie und den Fahrzeugen zu vergleichen und gegebenenfalls anzupassen.

Bene: Schon öfters hatten wir die Möglichkeit einige unserer Produktionen - von Jazz über Indie-Pop bis Electronik - für Fahrzeuge und Dolby Atmos-Demos in Fahrzeugen zu mischen. Die Übersetzung der Mixe im Auto klingt echt fantastisch. 3D-Systeme in Autos sind vermutlich der schnellste, unkomplizierteste und präziseste – wenn auch nicht der günstigste – Weg für Konsumenten beispielsweise ein Dolby Atmos-System zu besitzen. Deshalb hoffe ich, dass solche Systeme in Zukunft vermehrt in Autos zum Einsatz kommen.

proaudio.de: Ihr habt auch ein SpatialSound Wave System?

Lenni: Damit hat unsere Immersive-Audio-Reise begonnen. Mein ehemaliger Kollege und sehr guter Freund Florian Richter hat sehr früh die Vorzüge von 3D-Audio erkannt und in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IDMT in Ilmenau mit diesem System gearbeitet. So hatten Florian und ich dadurch die Möglichkeit, einen Song von Michael Jackson (Billy Jean) und einen von Metallica (Enter Sandman) in 3D mischen zu dürfen.

Das System klingt noch immer fantastisch und ist klanglich einfach unfassbar. Wir hoffen auch sehr darauf, dass in Zukunft noch mehr Installationen mit diesem System kommen werden und wir da mit involviert sein können. Ich denke, da wird noch Einiges bei Fraunhofer passieren in den nächsten Jahren.

simon wegener florian richter hightide 01 Atmos 1

Foto: Regie B - Immersive Studio

proaudio.de: Wie ist den Euer Dolby Atmos Setup?

Lenni: Wir können aktuell in einem 9.1.4 Dolby Atmos System mischen, welches von Dolby eingemessen wurde. Das Setup ist etwas anders als bei den meisten anderen Studios und wir haben es zurzeit noch recht “modular” gehalten.

Bene: Dadurch, dass ich zurzeit noch viel pendeln muss arbeite ich vor allem über mein MacBook auf dem ich mit ProTools und der Dolby Atmos Production Suite mische. Bisher bin ich gut damit zurechtgekommen und freue mich immer wieder, nicht einen meiner kostbaren 128 Kanäle für einen LTC Sync opfern zu müssen, wie es bei einem externen Renderer meistens der Fall ist.

Bei uns rendert der Dolby Atmos Renderer 14 diskrete Lautsprecher Signale (9.1.4) und zwei Kopfhörersignale (Binaural) die über MADI an einen Fraunhofer SpatialSound Wave Renderer geschickt werden. Dieser Renderer korrigiert zum einen die Lautsprecher in Zeit und Frequenzgang, zum anderen dient er als Monitor-Controller und ermöglicht es, einzelne Lautsprecher solo zu schalten oder zu muten. So kann der Dolby Atmos Renderer die ganze Zeit im Hintergrund bleiben. Die diskreten, korrigierten Lautsprechersignale gelangen dann über MADI auf einen Ferrofish A32 AD/DA-Wandler und werden auf die entsprechenden Lautsprecher verteilt. Aktuell ist das bei uns eine 9.1.4-Konfiguration mit zwei Subwoofern am LFE-Kanal.

Regie B xCeed v4

Foto: Regie B mit MakeProX-Konsole

Über den Custom Controller von MakePro X lässt sich sowohl die DAW als auch der Fraunhofer Renderer, sowie die Lichter im Studio steuern. Zusätzlich können wir die RME MADI Bridge im Technikraum fernsteuern und so verschiedene Presets und Setups des Madi Routings aufrufen. Auch der RME HDSPe Mixer lässt sich zu großen Teilen über den MakePro X Controller steuern und hilft uns bei besonderen Routings. Man kann also sagen, dass das nicht nur ein DAW Controller ist, sondern ein Studio Controller, der sämtliche steuerbare Geräte frei belegbar auf seine Oberfläche bringt und taktil steuerbar macht.

proaudio.de: Wo sind denn aktuell so Eure Produktionsschwerpunkte - mehr in der Musikproduktion oder in der eher bildbezogenen Audioproduktion?

Lenni: Bei mir definitiv Musikproduktion. Ich habe dieses Jahr noch Einiges anstehen an Produktionen mit Bands und Künstlern.

Tobi: Je nach Auftragslage schwankend zwischen Songwriting und Artist Producing oder Musik/Sounddesign für Film und Werbung.

Bene: Auch bei mir liegt der Fokus auf Musikproduktion, wobei ich nicht abgeneigt bin, hin und wieder mal eine bildbezogene 3D-Audioproduktion zu machen.

proaudio.de: Ihr nutzt für das 3D-Audio-Studio ja ein Setup von Eve Audio Lautsprechern. Welche setzt Ihr da ein?

simon wegener florian richter hightide 02

Foto: Regie B - Immersive Studio

Lenni: Nicht nur da, alle Regieräume haben mindestens ein Paar Lautsprecher von EVE Audio. Aber ja, wir haben ein 30.1 System aus 30x Eve Audio SC205 und auf dem LFE Kanal sind zwei Eve Audio TS112 Subwoofer für unsere Immersive Audio Produktionen installiert.

Seit der Überschwemmung hängen zwar nur noch die Speaker die wir für Dolby Atmos benötigen (9.1.4), aber wenn wir wieder in SpatialSound Wave von Fraunhofer arbeiten, dann können wir die restlichen Speaker auch wieder aufhängen. Oder wir nutzen die restlichen Eve SC205 und statten eine weitere Regie mit Dolby Atmos aus, für Mix-Vorbereitungen oder für Produktion/Komposition.

Zusätzlich sind in Regie B 2 Stück EVE Audio SC408 als Stereo Setup in der Wand verbaut. Seitdem wir in dieser Regie hauptsächlich Immersive Audio Projekte mischen, kommen diese nicht mehr so oft zum Einsatz, was sehr schade ist, denn sie klingen fantastisch. In Regie A steht noch ein Pärchen Eve SC407 als Mainabhöre.

Tobi: Und ich arbeite auf EVE Audio SC307 plus TS112 Subwoofer.

proaudio.de: Wie kam es dazu dass Ihr Lautsprecher von EVE Audio Lautsprechernutzt und welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

Lenni: Ich habe EVE Audio 2012 auf einer Messe gesehen und habe schnell gemerkt, dass sie mir wirklich gut gefallen. Ich kannte Eve Audio bis dahin nicht, da sie sich ja auch erst im Jahr davor gegründet haben. Ich habe mit Roland auf der Messe lange gesprochen und als wir 2014 die neuen High Tide Studios gebaut haben, stand natürlich auch die Frage der Abhörsituation im Raum. Wir ließen uns die Eve SC408 zum Testen schicken und kamen mit denen einfach ausgesprochen gut klar. Der gesamte Planung der Regie B wurde um die EVE Audio SC408 geplant. Über die Jahre ist eine gute Freundschaft zwischen EVE Audio und den High Tide Studios gewachsen und als wir den verrückten Gedanken hatten eine Regie mit einem 30.1 SpatialSound Wave System auszustatten, da war mein erster Anruf natürlich bei EVE Audio. Bei EVE Audio-Lautsprechern weiß ich einfach ganz genau, dass sie sehr präzise im Hochtonbereich sind ohne meine Ohren ermüden zu lassen, zudem finde ich die Basswiedergabe sehr “kompakt” und direkt, ohne Wummern und Dröhnen. Da ich gleich 30 Lautsprecher in meinen Raum hängen wollte, war es mir wichtig, dass es diese Probleme nicht gibt.

Ein weiterer wichtiger Punkt war das Verhältnis von der Größe des Lautsprechers zum Frequenzspektrum. Je mehr der Lautsprecher in Richtung Fullrange geht, desto besser für die Arbeit im 3D-Audio Bereich. Mit den SC205ern haben wir da ein optimales Verhältnis gefunden, bei dem der Raum nicht durch zu große Lautsprecher (x30) zu voll und klein wird und dennoch fast das gesamte Frequenzspektrum mit genug Headroom und ohne Verzerrungen wiedergeben kann. Zusammen mit EVE Audio haben wir überlegt, welche Größe Sinn ergeben würde, haben sowohl die SC204, als auch die SC205 mal testweise aufgehängt. Die SC205 sind es dann geworden.

In Regie A habe ich zwei Dynaudio M3A in meiner Wand installiert, aber zum alltäglichen Arbeiten sind die mir ein wenig zu weit weg, daher habe ich nachträglich dort noch zwei SC407 im Midfield aufgestellt, welche ich nun wirklich täglich als Hauptabhöre nutze. Seitdem ich die SC407er in Regie A stehen habe, habe ich deutlich weniger Probleme mit der Kompatibilität meiner Mixe und Master auf anderen Lautsprechersystemen und ich merke vor allem im Stereobild, wie genau ich Dinge platzieren und wahrnehmen kann. Das war vorher nicht annähernd so genau.

Tobi: Für mich ist das Preis/Leistungs-Verhältnis von Eve einfach unschlagbar. Ich habe mit den SC207 als meine allerersten Speaker begonnen. Nun nutze ich ja wie gesagt die SC307 plus Subwoofer und habe, obwohl sich mein Gehör weiterentwickelt hat, keine Lautsprecher und keinen Hersteller in dieser Preisklasse gefunden, die sich so gut auf andere Systeme - sogar Kinosäle - übertragen und so angenehm zum arbeiten sind.

proaudio.de: Was sind denn so aktuelle Dolby Atmos-Produktionen?

Bene: Wir arbeiten kontinuierlich an neuen Releases von “Amistat”, einem Acoustic-Folk-Duo. Dieses Genre ist vielleicht nicht das erste, das einem einfällt, wenn man an 3D-Musikproduktion denkt. Aber wenn man sich davon löst, dass 3D-Musikproduktionen nur von dem Effekt lebt, dass sich alles bewegen und drehen muss, um ein beeindruckendes Erlebnis zu haben, dann bieten die Akustikinstrumente und das satte sphärische Klangbild eine ausgezeichnete Grundlage für einen 3D-Mix. Ich bin sogar der Überzeugung, dass ein guter 3D-Mix die Emotionen besser wiedergeben kann als ein Stereo Mix.

Lenni: Ich arbeite seit einigen Jahren mit einem berliner Künstler namens “Tinush” zusammen. Seine Art der elektronischen Musik hat viele kleine Details und Spielereien, also etwas, was sich in Dolby Atmos gut umsetzen und auf die Spitze treiben lässt. Auch hier haben wir grad einen sehr aufwändigen Mix abgeschlossen. Grad bin ich noch im Gespräch mit einem Künstler aus dem Bereich der Neo-Klassik. Die Produktionen eignen sich hervorragend für Dolby Atmos. Tolle Dynamik, viel Tiefe und Breite, kleine Details und Spielereien.

Tobi: Bei mir geht es gerade um Aufarbeitung von alten Stereo-Projekten in Atmos und darum herauszufinden inwiefern unsere 3D-Audio-Möglichkeiten für mehr Visibility für unsere Künstler sorgen kann, indem wir sie zum Beispiel auf Dolby-spezifischen Playlists platzieren, wo sie eventuell direkt unter Künstlern wie Shawn Mendes oder Billie Eilish landen. Zurzeit gibt es verglichen mit Stereo einfach wenig Content, dies ist auch eine große Chance für Newcomer von einem neuen Publikum wahrgenommen zu werden.

proaudio.de: Nutzt Ihr für die Dolby Atmos Produktion spezielle Plug-Ins und welche Erfahrung habt ihr damit gemacht?

Bene: Auch wenn es nicht unbedingt notwendig ist, nutzen wir diverse Mehrkanal-Plug-Ins für die Dolby Atmos-Produktion. Insbesondere Reverb und Delay Plug-Ins erleichtern die Arbeit enorm. Man muss sich nicht mit mehreren Reverb-Instanzen rumschlagen oder komplizierte Automationen schreiben, damit das Delay durch den Raum wandert.

Meine beiden Favoriten sind Cinematic Rooms von Liquid Sonics (mittlerweile auch Seventh Heaven) und Slapper von The Cargo Cult. Cinematic Rooms klingt beeindruckend, ist extrem flexibel und bietet fast jede Einstellungsmöglichkeit die man sich wünscht. Slapper ist ein Multi-Tap-Delay, das mit einer intuitiven UI und präzisen Einstellmöglichkeiten wirklich komplexe 3D-Delays in kürzester Zeit ermöglicht, so dass man sich auf den kreativen Prozess konzentrieren kann, ohne sich um Routings, Objekteinstellungen oder Ähnliches kümmern zu müssen. Wenn wir bereits beim Recording mit Mikrofon-Arrays arbeiten, dann kommen auch diverse Encoder und Decoder zum Einsatz um die Signale entsprechend zu matrizieren und für Dolby Atmos zu optimieren.

Lenni: Auch die Software von Sound Particles hat in verschiedenen Situationen schon ausgeholfen. Sei es nur durch eine schnelle und intuitive Automation mit dem Space Controller-Plug-In. Ansonsten kommt ab und zu in speziellen Fällen mal ein Brightness Panner oder Energy Panner zum Einsatz. Für dichte Dopplungen und sphärische Elemente haben wir auch schon mal das Density Plug-In eingesetzt. Bene: Obwohl es mittlerweile schon einige Plug-Ins für die Produktion in Dolby Atmos gibt, ist noch viel Luft nach oben. Deshalb bin ich sehr gespannt, was für clevere Lösungen es in Zukunft geben wird.

proaudio.de: Und wie seht ihr so die Zukunft der immersiven, bzw. 3D-Audio-Welt?

Lenni: Mit der Ankündigung von Daimler, dass sie nun Dolby Atmos in die Fahrzeuge gebracht haben hat Dolby Atmos natürlich nochmal eine ganz neue Relevanz bekommen. Ein Ort, an dem noch immer viel Musik konsumiert wird, ist einfach noch immer das Auto. Wir haben hier auf dem Studioparkplatz schon Dolby Atmos in der neuen S-Klasse hören können, und auch in einem anderen High-End Fahrzeug. Das ist schon eine Hausnummer.

Bene: Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich Formate wie Dolby Atmos auf Dauer etablieren werden. Die objekt-basierte Technik die dahinter steckt, ist mehr als zwei weitere Ebenen für unser Hörerlebnis. Deshalb würde ein Vergleich mit Surround Sound hinken. Durch die Flexibilität die ein ADM-File bietet, können wir auf jedem kompatiblen Wiedergabesystem das bestmögliche Ergebnis erwarten. Natürlich klingt ein 9.1.6 Fullrange-Lautsprecher-System beeindruckender als ein iPhone-Lautsprecher, aber das war schon immer so. Wenn man jedoch bedenkt, dass in beiden Fällen dasselbe File abgespielt wird und das Gerät selbst erkennt, wie es die Signale wiedergeben muss damit es am besten klingt, dann kann das Ergebnis der Wiedergabe in Zukunft nur immer besser werden.

Durch die Streaming-Dienste kann man mittlerweile ziemlich einfach 3D-Audio-Content über Lautsprecher, Soundbars und sogar über Kopfhörer konsumieren – im Fall von Apple sogar mit Headtracking. Kopfhörer sind ein ausschlaggebender Punkt, denn ein Großteil der Musik wird heute darüber gehört. Unabhängig davon, ob ein 3D-Mix auf Kopfhörern so immersive klingt wie auf Lautsprechern, kann er dennoch besser klingen als ein Stereo Mix. Ab diesem Punkt wäre es vielleicht sinnvoller, von Beginn an zum Beispiel für Dolby Atmos zu produzieren. Dann wäre Stereo nur noch ein Nebenprodukt der 3D-Produktion. Für 3D-Audio-Fanatiker würde dann natürlich ein Traum wahr werden.

www.immersive-audio.com
www.hightide-studio.com
www.tobibartsch.com