Warm Audio WA-251 – Magische Zahlen

Röhrenbasiertes Großmembran-Kondensatormikrofon nach historischem Vorbild

Autor: Markus Thiel | Fotos: Peter Kaminski u. Markus Thiel (2)

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Spätestens seit Toni Fishman im Jahr 2000 die Wiedergeburt der eigentlich seit 1963 nicht mehr gebauten Telefunken Mikrofonlinien unter Namensrechtelizenz verkündete und mit einer Neuauflage eines gesuchten Klassikers zu einem absurd hohen Preis die Bühne des Weltmarkts betrat, ist das ELA M 251 (E) wieder in aller Munde, wenn auch aus budgettechnischen Gründen leider nicht in jedermanns Studio. Gut, dass es mittlerweile auch einige preisgünstigere Nachbauten des begehrten Mikrofondesigns gibt, zu welchem sich mit dem WA-251 nun auch der Hersteller Warm Audio gesellt.

Ursprünglich gab Telefunken Ende der 50er-Jahre die Entwicklung des ELA M beim Österreicher Pro-Audio-Hersteller AKG in Auftrag, um eine Lücke im Vertriebsportfolio zu füllen die bis dato Neumann als Kunde mit seinem ebenfalls legendären U47 besetzt hatte. Nach Beendigung der Kooperation erkannte man schnell im von AKG entwickelten Röhrenmikrofon C12 eine geeignete qualitative Alternative auf dessen Basis schließlich das mit Telefunkenraute verzierte 251 weltweit seinen Weg in die Studios fand. Der C12-Abkömmling unterschied sich von seiner Vorlage vor allem optisch durch die üppigeren Gehäusedimension sowie dem damit einhergehend größeren Mikrofonkorb, welcher der ansonsten baugleichen CK12-Kapsel bereits einen modifizierten Klangcharakter verlieh. Im Gegensatz zur Netzteil-Fernbedienung des C12 verfügte das ELA M 251 zudem über eine umschaltbare Richtcharakteristik direkt unterhalb des Einsprechkorbs.

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Das Netzteil verzichtet intern im Großen und Ganzen auf kostspielige Komponenten wie Ringkerntraffo oder gar eine original Pilotlightfassung und beschränkt sich stattdessen lieber auf das rudimentär Wesentliche.

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Das Exterieur ist ebenfalls mit allem bestückt, was man von einem PSU für Röhrenmikrofonanwendungen erwartet und ausreichend stabil ausgeführt sowie belüftet.

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Schaut man sich beide Mikrofone nebeneinander an und vergleicht sie mit dem WA-251, wird offensichtlich, dass sich Warm Audios Annährung an das Original zumindest in seiner schlanken Optik eher das C12 zum Paten erkoren hat. Auch die Umschaltung der Polarität zwischen Acht, Kugel und Niere erfolgt wie bei letzterem über das mitgelieferte Netzteil, was in der Praxis allerdings weniger Nachteile als Vorteile haben dürfte.

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Die Schaltung gruppiert sich erwartungsgemäß um eine Doppeltriodenröhre des Typs 6072/12AY7 herum, wobei Warm Audio dabei auf eine preiswerte und solide Variante des Slowakischen Herstellers JJ Electronic setzt. Abgesehen von hochwertigen Komponenten wie Wima-Kondensatoren und stilechten Styroflex-Koppelkondensatoren, tragen zwei weitere Elemente maßgeblich zur Performance des Mikrofons bei, der Ausgangsübertrager und natürlich die eingesetzte Kapsel.

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Letzteres ist bei einem C12/ELA M-Klon so etwas wie der springende Punkt, denn das originale CK12-Design von AKG ist in seiner aufwändigen Ausführung so etwas wie der heilige Gral der Mikrofonkapselbaukunst und speziell in der frühen Messingvariante (vor Ablösung durch eine deutlich wirtschaftlichere Teflonlösung) hoch geschätzt. Die mit zwei unterschiedlichen zweielementigen Rückelektroden konstruierte Kapsel bildet im Idealfall eine präzise gestimmte luftdicht geschlossene Einheit mit exakt definierter Kammer aus insgesamt knapp 50 Einzelteilen die nach erhöhter Fertigkeit und selten gewordenem Knowhow verlangt.

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Dass man den Einsatz einer variierten Backplate-Kontruktion des Originals für die zum Einsatz kommende WA-12-B-60V genannte Kapsel des WA-251 nun wie von Warm Audio beschrieben „technische Einschränkungen“ der ursprünglichen CK12 behoben haben will, darf zu einem Gesamtpreis von nicht ganz 900 Euro zumindest in Zweifel gezogen werden. Die mit einer Schicht aus 6 Mikron 24 karätigem Gold bedampfte NOS Mylar-Membran der höchstwahrscheinlich in weiten Teilen in Fernost gefertigten Kapsel, transportiert zumindest einen charakterlich in die angestrebte Richtung weisenden Gesamtsound und dies ist schließlich ja Ziel der ganzen Übung. Aber auch der eingesetzte und auf dem Chassis sogar in Logoform verewigte CineMag-Transformator aus US-Fertigung dürfte bei diesem Ergebnis seinen Teil beitragen.

Insgesamt erfüllt das Mikrofon die Erwartungen die man an den Sound eines Röhrenklassikers mit einem Hauch färbendem Vintage-Charme hegt schon recht gut und gefällig. Die dezente Höhenanhebung kann bei Frauenstimmen unter Umständen hier und da zwar schon mal ein wenig viel des Guten sein, entfaltet bei Tenor und Bass dafür aber gerade den richtigen Grad an fundiert audiophiler sowie ausgewogener Plastizität. Aber auch akustische Instrumente wie Gitarre oder Streicher präsentieren sich besonders im Nierenbetrieb mit angenehm angewärmter Klarheit.

Mit einem verwertbaren Maximalschalldruckpegel von 132 dB besitzt das Mikrofon außerdem einen mehr als ausreichenden Headroom, der auch vor Bläsern und anderen lauteren Schallquellen nicht Halt macht. Das Eigenrauschverhalten des WA-251 bewegt sich mit 12 dB (A-bewertet) in einem für die Bauart durchaus akzeptablen Rahmen und sollte bei den meisten praktischen Anwendungen nicht weiter unangenehm ins Gewicht fallen. Ärgerlicher verhält es sich mit dem verbauten Polarisationsschalter am Netzteil, welcher bei Betätigung im Betrieb deutlich und Pegelstark knackt. Zudem ist bei hoher Verstärkung des ohnehin schon sehr ansehnlichen Ausgangssignals eine dezente 50-Hz-Übersprechung des Netztraffos zu vernehmen.

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Insgesamt macht das WA-251 allerdings – im Besonderen, aber nicht ausschließlich in Hinblick auf die Preisansage – eine mehr als gute Figur und verbreitet die erwartete Portion Vintage-Flair, verpackt in einem robusten DIY-Szene-erprobten Gehäuse. Auch Netzteil, Spinne sowie das mitgelieferte siebenpolige XLR-Kabel von Gotham können qualitativ und im Handling überzeugen. Auch wenn die mitgelieferte Holzschatulle bei der Aufbewahrung des Mikrofons im Studio ausreichenden Schutz bieten dürfte, ersetzt sie jedoch keinen bei häufigen Ortswechseln empfohlenen gut gepolsterten Transportkoffer.

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Nur wer dem Löten mächtig ist und sich dazu noch für den Partsourcing-Sport begeistern kann, wird mittels erhältlicher Kits, PCBs und Gehäuse wohl noch günstiger an einen gleichwertigen C12-, Verzeihung „ELA M 251“-Klon kommen. Für alle anderen dürfte die Warm Audio-Variante für aktuell 880 Euro in Sachen Preis-/Leistungsverhältnis alternativlos sein.

Hersteller: www.warmaudio.com
Vertrieb: www.megaaudio.de