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JBL 705P - Aktiver Nahfeldmonitor

Autor und Fotos: Markus Thiel

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Das von James Bullough Lansing bereits 1946 gegründete Unternehmen JBL, hat in der Vergangenheit im Feld professioneller Lautsprecher bereits mehr als einmal nachhaltig Geschichte geschrieben. Mit den JBL 705P meldet sich der inzwischen zum weltweit operierenden Harman-Konzern (seines Zeichens wiederum seit 2017 Teil des Samsung-Imperiums) gehörende Hersteller wieder im High-End-Studio-Monitor-Lager zurück. Während der Dauerbrenner Control One, angefangen bei der Eisdiele um die Ecke, über das Kellerprojektstudio bis hin zur Wohnzimmerbeschallung des Nachbarn mit allein in Deutschland knapp 1,5 Millionen Lautsprecherpaaren sozusagen Omnipräsenz-Status besitzt, dürften Studiomonitor-Exemplare der aktuellen 700er-Serie doch aktuell noch deutlich dünner gesät sein. Im Folgenden haben wir uns die kleineren Modelle des Typs 705P einmal näher angeschaut.

Äußerlichkeiten

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Rein optisch sind die staubanfälligen matt-schwarzen Lautsprecher, mit der für Nahfeldmonitore recht außergewöhnlichen Gehäusetiefe, zunächst einmal alles andere als ein Eye-Catcher. Das auf diese Weise in die Design-DNA tätowierte Understatement, könnte allerdings auch bereits als erster Hinweis auf die Konzentration weiterführender innerer Werte verstanden werden, von denen die bloße Hülle einfach nur nicht weiter ablenken soll. Doch bleiben wir für einen Moment noch an der Oberfläche. Form follows function – das augenfälligste Merkmal der 705P ist wohl der speziell geformte und vom Topmodell M2 entlehnte Waveguide des Hochtöners, welcher sich designtechnisch konsequent in die von JBL verfolgte Formphilosophie einfügt, die traditionell schon immer ein Händchen dafür hatte sich ein wenig aus dem Mitbewerberfeld hervorzuheben. Eine direkt in die Typenbezeichnung integrierte LED gibt während des Betriebs Aufschluss über den jeweiligen Status des Systems wie Normalbetrieb, EQ eingeschaltet, Störung oder Limiter-Aktivierung etc.

Die zugrundeliegende Treibertechnologie setzt im Falle des Hochtonbereichs auf einen kreisförmigen 1-Zoll-Kompressionstreiber des Modells 2409H, welcher mit seiner geringen Eigenmasse und einer theoretisch möglichen Frequenzabbildung bis 36 kHz aufwartet. Beim kongenialen 5-Zoll-Gegenpart des Tieftonbereichs kommt mit dem 725G ebenfalls eine Treiberneuentwicklung frisch aus dem JBL-Labor zum Einsatz, die laut Papier sogar im Stande sein soll, beherzt über die 40-Hz-Marke hinaus zu kratzen.

Neben dem bereits eher ungewöhnlichen Einsatz eines Kompressionstreibers für die hohen Frequenzen, verfügt aber auch der Tieftöner über eine erwähnenswerte JBL-Besonderheit genannt Differential Drive. Mit geländegängiger PKW-Technik hat dieses bereits 1995 entwickelte Lautsprecherkonzept allerdings trotz namentlicher Verwandschaft herzlich wenig zu tun. Ähnlich wie beim Humbucker-Tonabnehmer-Konzept einer E-Gitarre, setzt JBL hier beim Schwingspulendesign nicht nur auf eine, sondern stattdessen direkt auf zwei gegenläufig gewickelte Kupferspulen um einen mittlerweile gängigen Neodymmagnet-Kern. Diese Technologie soll den damit ausgestatteten Lautsprechern in der Praxis nicht nur eine verbesserte Impulskontrolle, sondern auch eine deutliche Reduktion von Verzerrungen bescheren. Ergänzt wird das Setup um die herstellerseitig SlipStream genannte Bassreflex-Technologie, die durch exakt berechnete Öffnungswinkel Luftverwirbelungen beim Schallaustritt effektiv entgegen wirken soll.

Antrieb

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Befeuert wird das Setup von einer verhältnismäßig kräftig ausgelegten 2 x 250 Watt Bi-Amp-Einheit, welche in Class-D-Technologie realisiert wurde. Die ebenfalls integrierte displaygestützte sowie vielseitige DSP-Luxusausstattung, mit welcher sich sowohl Raum- als auch Laufzeitanpassungen via praktischem Alpha-Dial vornehmen lassen, ist über die Rückseite des Gehäuses erreichbar.

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Hier befinden sich auch die obligatorischen physischen Eingänge in analoger XLR/Klinke-Kombi-Variante und als AES3-kompatibler Digital-Input (ebenfalls XLR) sowie einem XLR-Pass-Through-Ausgang. Nicht nur bei der internen Signalverarbeitung, sondern auch bei der Zuspielung digitaler Signale unterstützt die 705P zudem Abtastfrequenzen bis zu 192 kHz.

Ton an!

Was mich sofort spontan begeistert, ist die große Bühne, die diese Boxen zeichnen, ohne dabei jemals den Fokus auf kleinteiligste Details zu verlieren. Für diesen Eindruck dürfte sich letztlich auch das optimierte Waveguide-Design verantwortlich zeigen, welches vor allem im Höhenbereich einen geräumigen Sweetspot generiert. Anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig gestaltet sich für mich die Mittenreproduktion. Besonders bei Frauenstimmen im Mezzo-Bereich wirken die Vocals einiger Tracks einen Hauch zu tief im Mix eingebettet. Ein Blick in die technischen Daten offenbart eine Trennfrequenz die mit 1.750 kHz mehr als 1 kHz tiefer liegt als die 3 kHz die man von vielen anderen gängigen Systemen gewohnt ist. Dieser Umstand und die daraus resultierende Obertonanteilwiedergabe, gepaart mit einer ausgesprochen fein abgegrenzten und eher schmal aufgestellten Phantommitte könnte meinen Ersteindruck in dieser Hinsicht also zumindest mitbeeinflusst haben. Nach ein paar Tagen Einhörphase hat man sich jedoch an den Abbildungscharakter der beiden JBL-Probanden und ihre Stereobühne gewöhnt.

Auch die im Vergleich zu anderen Lautsprechern einen Tick brillanter ausfallenden Höhen der 705P unterstreichen im Gesamtbild den analytischen Anspruch der Monitore, ohne dabei auf HiFi-äske Art gefällig zu wirken. Auch wenn, wie eingangs bereits erwähnt, die Höhen einen breiteren Sweetspot suggerieren, entpuppt sich die 705P bei der frequentiellen Gesamtbetrachtung und Analyse doch recht wählerisch wenn es um die richtige Sitzposition zur Beurteilung von Tiefenstaffelung und Stereoverteilung geht. Im Nahfeldbereich empfinde ich das allerdings als höchst unkritisch und unproblematisch. Die Energiereserven der Monitorlösung sind zu jeder Zeit deutlich spürbar und lassen vermuten, dass die Modelle auch im Midfield-Bereich immer noch eine gute Figur abgeben dürften. Insgesamt klingt die 705P zumindest merklich größer, als die physischen Dimensionen von 268 x 151 x 274 mm zunächst vermuten lassen.

Beim Test wurden die beiden JBL 705P direkt mit dem Ausgang eines Apollo 8 Thunderbolt-Interfaces von Universal Audio ohne zwischengeschalteten Switch verkabelt. Auf eine Raumkorrektur wurde verzichtet. Beim Probehören verschiedener Referenzaufnahmen fällt auf, dass vor allem akustische sowie natürliche Produktionen aus dem Jazz- und Rockbereich hervorragend übersetzt werden. Aber auch Elektronik-Alben wie etwa „What Is That Sound“ von Lamb lassen im Frequenzgang wenig vermissen. Die Basswiedergabe bleibt trotz ihrer physischen Begrenzung auch bei extremeren Anforderungen immer definiert und präzise. Wer dennoch untenherum etwas mehr Druck als die durchaus erreichbaren 40 Hz benötigt, wird natürlich auch bei dieser Lösung um die Addition eines Subwoofers nicht herumkommen. Eine meiner persönlichen Lieblings-Referenzen auf die ich mich bei der Beurteilung einer Abhöre immer besonders freue, ist das 1992 erschienene in Q-Sound abgemischte Roger Waters Album „Amused to Death“. Wenn einem die Töne aus Jeff Becks Strat mit ihrer messerscharfen Ansprache förmlich den Hypothalamus zertrennen und sich nach dem Wort „Lamp“ im Track „Three Wishes“ das unmittelbare Gefühl einstellt, als müsste man sich mit einer schnellen Handbewegung umgehend Rogers Speichel von der Stirn wischen, macht ein System für meine Begriffe schon einmal einen wirklich sehr guten Job. Was auch nach mehreren Wochen intensivem Hören immer noch irritiert ist die Tatsache, dass diese akustischen Lupen neben ihrer multidimensional guten Auflösung im Verhältnis zu ihren realen Ausmaßen so unfassbar gewaltig aber zeitgleich in keinster Weise aufgesetzt klingen.

DSP in the Box

Die Idee, das Bedienpanel der DSP-Einheit aus scheinbar optischen Gründen auf der Rückseite der Box zu verbannen ist aus meiner Sicht etwas suboptimal gelöst. Zudem steht keinerlei Link-Funktion für das DSP-Setup zur Verfügung, was bedeutet, dass man für die Raumkorrektur hinter jede Box separat klettern darf - und das wie die Praxis lehrt wahrscheinlich mehrfach. Aber so lange man nicht plant, alle paar Wochen mit den guten Stücken in andere Räumlichkeiten umzuziehen, sollte sich der Aufwand doch in überschaubaren Grenzen halten. Trotz alledem wäre eine Bedienung über die Topseite des Quaders deutlich eleganter und praxisgerechter zu realisieren gewesen – eine Steuerung per App, unter Umständen sogar mit Einmessfunktion, wäre ebenfalls wünschenswert gewesen.

Ansonsten bietet das prozessorgestützte Innenleben der 705P aber so ziemlich alles, was man sich für raumabhängige Frequenzkorrektur und Eingangsempfindlichkeit so wünschen kann. Dank integrierter Rechenpower lässt sich der Pegel analog oder digital (AES L, AES R oder AES L+R – durchschleifbar für Linkbetrieb) anliegender Signale vor Verarbeitung durch den Amp vorbildlich feinaufgelöst in 0.1 dB-Schritten präzise abgleichen und justieren. Das Gleiche gilt für die acht integrierten Bell-Filter des Room EQ und die zusätzlichen vier zuzüglich Low- und High-Shelf des User-EQ. Neben sechs vorinstallierten Werkseinstellungen stehen zudem noch einmal genau so viele User-Speicherplätze zur Verfügung. Darüber hinaus wurde auch an eine mögliche Laufzeitanpassung mittels Room-Delay (max. 18 ms) sowie an ein großrahmigeres Framedelay (max. 150 ms) für die Synchronisation des ausgegeben Tons an ein Bewegtbild gedacht. Über den ebenfalls integrierten Harman HiQnet System-Port lassen sich die Monitore außerdem ganz im Sinne der Investitions- und Zukunftssicherheit mittels Softwareupdate auf den neusten Stand bringen.

Fazit

JBLs Monitore des Typs 705P liefern trotz ihrer Kompaktheit hervorragende Impulstreue und Linearität gepaart mit modernster Technik und jeder Menge Leistungsreserven bis in den schmerzenden 100 dB SPL-Bereich. Die Monitore mit der eigenen Note bieten sich gleichermaßen für Projektstudios, kleinere Regieräume oder auch als Abhöralternative und Zweite Meinung in großrahmigeren Midfield-Installationen an. Nicht zuletzt auf Grund der vorbildlichen DSP-Ausstattung mit 32-Bit-Gleitkommaeinheit sowie einer tadellosen Verarbeitung dürften die JBL-Sprößlinge in ihrem lackierten Birkenholz-Multiplex-Gehäuse jeden einzelnen Cent wert sein, womit wir auch schon beim Preis wären. Der Street-Preis liegt pro Stück bei ca. 1.150 Euro (Stand Januar 2019). 

Für alle diejenigen, denen die 705P optisch und klanglich noch nicht gewaltig genug erscheint, sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass die Serie mit der 708P auch noch eine große Schwester auf gleicher Systembasis mit einem entsprechend dimensioniertem 8-Zoll-Tieftöner bereit hält. Ob die 700er das Zeug zum modernen Klassiker haben? Time will tell. Die Gene stimmen auf alle Fälle schon einmal.

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