Dokumentarfilmdreh mit der Sony PMW EX-1 und getrennter Tonaufnahme

Ein Erfahrungsbericht von Yetifilm Köln

Fotos von Yetifilm und B.Weiffenbach

Für unseren Dokumentarfilm „Familie auf Zeit“ (90 Min. Farbe, HD,Coproduktion mit 3sat) drehen wir seit Mai 2008. Es handelt sich um eine Langzeitbeobachtung, die wir im September 2009 abschließen werden. Dabei begleiten wir schwer erziehbare Jugendliche aus Deutschland, die in Auslandsprojekten in Spanien und Portugal in Pflegefamilien betreut werden.

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Wir drehten insgesamt ca. 70 Drehtage in mehreren Etappen. Bei der Drehkoordination ergaben sich folgende Besonderheiten: Die Drehphasen müssen zum Teil spontan und kurzfristig organisiert werden. Am Drehort beobachten wir den Alltag der Familien und sind oft viele Stunden „Stand by“, um schnell auf besondere Situationen reagieren zu können. Diese Ganztagsbegleitung setzt weiterhin voraus, dass die Geräte möglichst lange am Stück einsetzbar sind.

Besonders wichtig dabei: da sich viele Gespräche spontan ergeben und oft auch zwischen den Protagonisten stattfinden, verwenden wir zusätzlich zur Angel Ansteckmikros mit Funkstrecken. Somit haben wir mehrere Tonquellen, die wir getrennt aufzeichnen möchten, um in der Postproduktion flexibel mit dem Ton arbeiten zu können. Der Ton muss daher separat aufgezeichnet werden und soll später per Time Code mit dem Bild synchronisiert werden.Wir suchten daher nach einem kleinen, leichten und flexiblen Equipment, mit dem wir jedoch professionell in HD und mit Stereo-Ton für Kino und Fernsehen produzieren können.

Synchronisierung der Sony PMW EX-1

Nach einigen Tests mit verschiedenen kleinen Camcordern haben wir uns für die Sony PMW EX-1 mit SxS Expresscard - System entschieden. Da der Ton separat aufgenommen werden soll wird der Kameramann nicht durch störende Kabel belastet. Wie die meisten Kameras dieser Art im Moment, hat die Sony PMW EX1 leider keinen TC-Eingang, daher suchten wir nach einer Lösung, den Ton anderweitig zu synchronisieren.

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In diesem Fall waren die Mitarbeiter von „Ambient Recording“ für uns die richtigen Ansprechpartner und ideale Berater. In der Münchener Audio-Schmiede sind bereits zahlreiche Geräte und Tools für die Tonaufnahme bei Film und Video entwickelt worden. Besonders interessant für uns der „Clockit Lanc Logger ALL601“, ein kleines Allround-Kästchen wenn es um Time Code geht.

Wir haben bei Ambient vor Ort mehrere Tests mit der Kamera und dem Clockit durchgeführt und konnten in Verbindung mit dem Schnittprogramm „Final Cut Pro“, welches wir für die Postproduktion benutzen, sowie dem Programm „FCP aux TC Reader“ von der Firma „VideoToolShed“ unsere Bild- und Tonfiles synchronisieren. Für unser Projekt haben wir gemeinsam mit Ambient folgendes Set an Tonequipment zusammengestellt:

  • HD-Rekorder: Sound Devices, SD 744 T
  • Time Codegenerator: Ambient, Clockit Lanc Logger ALL601
  • Richtmikrofon: Sennheiser, MKH 416
  • Stereomikrofon (Emesser): Ambient, ATE 108 Emesser
  • Kameramikrofon: Ambient, TinyMike ATM216
  • 2 Funkmikrofon-Sets: Lectrosonics, UCR110
  • Tonangel: Ambient, Quickpole QX 565 (mit interner Stereo-Verkabelung und einem Ambient Floater zur Reduzierung von Griffgeräuschen)

Sound Device, SD 744 T

Die Bedienung des SD 744 T empfinden wir als relativ einfach und anwenderfreundlich. Er ist für unseren Zweck ideal, da man vier Spuren getrennt aufnehmen kann. Wir benutzen Spur 1 für das Sennheiser Richtmikrofon MKH 416 und Spur 2 für das ATE 108 Emesser, so ist es uns möglich, wenn nötig, ein MS Stereo Signal in der Postproduktion zu decodieren, bei welchem M das MKH416 ist und S der Emesser. Auf Spur 3 und 4 zeichnen wir die Signale der Funkmikrofone auf. Außerdem nutzen wir ein Ausgangs-Audio-Signal als Funk (mit einem UM400a Lectrosonics Sender und einem R1a Lectrosonics Empfänger) für den Kameramann, damit er die Funkstrecken der Protagonisten abhören kann. Dies hat sich als sinnvoll in spontanen Drehsituationen erwiesen, in denen mehrere Protagonisten beteiligt sind. Der Kameramann kann schneller reagieren und Entscheidungen treffen, da er dem Gespräch besser folgen kann.

Der SD 744 T wird als TC–Master verwendet, d.h., der zu verwendende Time Code wird hier eingestellt und auf „free run“ gestartet. Über ein Adapter-Kabel (von Time Code Out auf „Lemo“) wird das Signal an den Clockit weitergegeben. Dieser wird zuvor so eingestellt, dass er das über das Kabel empfangene Signal automatisch übernimmt und synchron weitergeneriert. Sobald der Clockit den TC übernommen hat, zeigt er diesen im Display an und man kann die Kabelverbindung wieder trennen. Nun gibt er diesen Time Code über den Audioausgang als LTC-Signal heraus.

Clockit Lanc Logger ALL601

Um den LTC mit der Kamera aufzeichnen zu können muss der Clockit als TC-Generator bei jeder Aufnahme mit der Kamera verbunden sein. Das Clockit-Gerät ist ideal für unsere kleine Kamera, denn es ist extrem leicht und klein. Es lässt sich problemlos auf der Sonnenblende mit einem Klettband liegend befestigen. Wenn für die Kamera das Extra-Kompendium benutzt wurde, haben wir das Clockit mit dem ATMP Zubehör-Halteblech auf der Mikrofonplatte befestigt.

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Zur Aufzeichnung des LTC-Signals, welches zuvor mit dem SD 744 T synchronisiert wurde, wird der TC-Out des Clockits auf einen der Audioeingänge, möglichst immer der gleiche (in unserem Fall CH 1) der Kamera gesteckt und an der Kamera auf -20 dB gepegelt. Das Eingangssignal entspricht einem LINE – Signal. Somit befindet sich auf der entsprechenden Audiospur jeder Aufnahme ein LTC-Signal, welches synchron zum TC-Signal der Tonaufnahmen des SD 744 T ist.

Wir haben das Clockit so eingestellt, dass das Display nach fünf Sekunden automatisch ausgeht. In diesem Modus halten die Batterien (2 AAA) des Clockit ohne Probleme sechs Stunden durch. Bei einem langen zehn bis zwölf Stunden Dreh mussten wir Kamera und Clockit nur zweimal - einmal zu Drehbeginn und ein weiteres Mal nach dem Batteriewechsel - synchronisieren und das gesamte Material war am Ende synchron.

TinyMike

Das TinyMike setzen wir als Kameramikrofon ein, wobei das Tonsignal auf den zweiten, noch freien, Kanal der Kamera aufgezeichnet wird. Für uns hat sich das TinyMike bisher als sehr geeignet erwiesen. Zum Einen diente es im Schnitt als Referenzmikrofon, doch lässt es sich auch hervorragend als eigenständiges Richtmikrofon verwenden. Der Kameramann konnte damit spontane Situationen oder in sehr engen Räume auch allein drehen. Die Tonqualität ist sehr gut, Stimmen sind in Gesprächen präsent und Geräusche differenziert hörbar.

Materialsicherung und Sichten

Nach jedem Drehtag kopieren wir das aufgenommene Material von den SxS-Karten der Kamera auf eine externe Festplatte. Hierzu benutzen wir ein einfaches Laptop von Acer, welches einen Expresscard-Slot besitzt. Mit dem von Sony mitgelieferten Programm „XDCam EX ClipBrowser“ lassen sich die Karten problemlos lesen und kopieren. Parallel wird eine Sicherheitskopie auf eine zweite Festplatte erstellt.

Das Gleiche wird mit dem Audiomaterial vom SD 744 T gemacht. Jeder Drehtag erhält bei uns einen eigenen Ordner, benannt mit dem Datum des Drehtages. Darin befindet sich ein Ordner „Ton“ und ein Ordner „Bild“. Dadurch kann der Cutter später das Material einfach zuordnen und schnell synchronisieren. Als zusätzliche Sicherheit wurden sowohl die Kamera als auch der SD 744 T so programmiert, dass jeder aufgenommene Clip am Anfang seines Namens das jeweilige Datum enthält. So können wir auch bei umfangreichem Material gewährleisten, dass jeder Clip logisch zugeordnet werden kann.

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Am Ende jedes Drehtages sichten wir unser gedrehtes Material am Laptop. Mit der Vollbilddarstellung des „XDCam EX ClipBrowsers“ und mit einfachen Aktivboxen lässt sich inhaltlich sehr gut sichten. Für eine genaue Beurteilung der technischen Qualität ist dies jedoch nicht ausreichend. Da der Hauptton (Angelton) getrennt vom Bild aufgenommen wird und wir während des Drehs noch nicht synchronisieren können, hat sich uns auch beim Sichten das TinyMike als sehr praktisch erwiesen. Neben Spur 2, auf der der TC aufgenommen wird, ist auf Spur 1 immer das TinyMike angeschlossen.

Der „XDCam EX ClipBrowsers“ bietet die Möglichkeit, die eingespielten Spuren getrennt abzuhören. So können wir das TC-Geräusch ausschalten und nur den Ton des Tinymikes abhören, der, wie schon gesagt, sehr präsent auch Stimmen und Geräusche aufnimmt. So macht das Sichten Sinn und geht schnell und effektiv.

Postproduktion

Von jeder Drehreise kehren wir mit ca. 25 Stunden Material zurück, die synchronisiert werden müssen. Zunächst muss von den Festplatten, die wir auf dem Dreh benutzt hatten, das Material für FCP verfügbar gemacht werden. Hierfür war ein Import mit dem, auf der Webseite von Sony kostenlos zur Verfügung gestellten, Programm „XDCAM Transfer“ notwendig. Dieses entpackt das Material aus den BPAV-Ordnern und packt es in QuickTime Container, ohne an der XDCAM Codierung irgendetwas zu verändern.

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Um nun den als Audio-Signal aufgezeichneten Timcode (LTC aus dem Clockit) jedes Clips als AUX TC verfügbar zu machen, musste dieser ausgelesen werden. Leider verfügt FCP bisher über kein eigenes Tool dafür. Hier kam das Programm „FCP auxTC reader“ von VideoToolShed zum Einsatz. In unserem Workflow haben wir das Videomaterial in Blöcke von max. 30 Clips unterteilt, die wir in FCP importiert haben und dann als XML-File exportiert haben.

Die XML-Liste lässt sich im „FCP auxTC reader“ importieren und über „Batch“ wird jeder Clip der Liste bearbeitet. Dabei wird das Audio-Signal, welches den TC enthält (die Tonspur kann entweder angegeben oder automatisch gefunden werden) ausgelesen und in die AUX-TC-Spur eingetragen. Jetzt gibt es verschieden Exportmöglichkeiten. In unserem Fall wählen wir „Export all clips self contained“. Jetzt werden alle Clips der Liste als eigenständige QickTime-Movies neu auf die Festplatte geschrieben. Bei diesem Export bleiben die Original-Kompression und alle bisherigen Metha-Daten unverändert, enthalten nun jedoch zusätzlich die AUX TC - Information, welche in FCP erkannt wird.

Dieser Vorgang verdoppelt zwar die Datenmenge zunächst, macht aber eine rückwärtige Fehlersuche möglich. Dadurch erhöht sich allerdings auch der benötigte Zeitaufwand, denn das erneute Schreiben der Files dauert seine Zeit. Man hätte auch die Möglichkeit, Referenz-Movies herstellen zu lassen. Bei dieser Menge an Clips und Daten und der späteren Synchronisation sollte man aber das Risiko verlorener Verlinkungen lieber nicht eingehen.

Ein kleiner Nachteil des „FCP auxTC reader“, man kann bei diesem Workflow kein Ziel für die neuen Files wählen sondern sie werden in den selben Ordner geschrieben wie die Originalfiles. Dies wird mit dem nächsten Update hoffentliche behoben.

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Bei unseren Test mit Ambient haben wir festgestellt, dass der TC einen Versatz um ein Bild aufweist. Dieser lässt sich im „FCP auxTC reader“ als „Offset 1“ einstellen und somit automatisch korrigieren.

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Synchronisation in Final Cut Pro

Importiert man die so bearbeiteten Files nun wieder in FCP, enthalten sie den AUX-TC in der AUX 1 - Spur. Da diese synchron mit dem TC der Audio-Files aus dem SD 744 T sind, lassen sich Bild und Ton nun synchronisieren. Doch zuvor ist leider noch ein manueller Schritt auszuführen: bei jedem Audio-Clip muss in FCP der TC in die AUX-Spur eingefügt werden. Zum einen besitzt das Audio-File zwar einen TC aber keinen AUX-TC nach der Aufzeichnung mit dem SD 744 T, zum anderen erfolgt die Synchronisation in FCP immer nur auf der Basis der gleichen TC-Art (entweder TC oder AUX-1 oder Aux-2). Hierfür wird bei
jedem Audio-File mit der Funktion „Time Code“ unter dem Menü „Modifizieren“, das Feld „AUX-TC 1“ eingeschaltet und dort der Wert aus dem darüber liegenden Feld „Quell-TC“ hineinkopiert. FCP nimmt dies als „Time Stamp“ und generiert den AUX TC von hier aus für das gesamte File.

Jetzt können Bild- und Ton- Files mit der Funktion „Clips zusammenmischen“ auf der Basis des AUX TC synchronisiert werden. Unterschiedliche File Längen werden hierbei berücksichtigt. Ist die Tonaufnahme länger als die Bildeinstellung, wird der Teil, für den kein Bild vorhanden ist, schwarz dargestellt. Im zusammengemischten Clip steht aber die gesamte Tonlänge zur Verfügung. Stehen für eine lange Tonaufnahme mehrere Bild-Clips zur Verfügung, sollte derselbe Audio-Clip mit jedem Bild-File separat verbunden werden. Am Ende benötigte unser Cutterassistent nur drei Tage, um die 25 Stunden zu synchronisieren und die Ordner und Clips zu beschriften.

Bis jetzt haben wir fast sechs Drehblöcke im Ausland hinter uns und eine Gesamtmaterialmenge von 95 Stunden, mit mehr als 2000 Einstellungen. Davon gab es lediglich 40 Einstellungen (Gesamtlänge ca. 20 Minuten), die nicht automatisch synchronisiert werden konnten und daher manuell synchronisiert werden mussten. Hier konnte der Ton des TinyMikes, den wir auf der Audio-Spur 1 aufgenommen hatten, als Referenz benutzt werden und die 40 Einstellungen schnell synchronisiert werden. Wir konnten nicht herausfinden, woher die Asynchronität kam. Ungewöhnlich war, dass innerhalb eines Drehblocks eine regelmäßige Asynchronität mehrerer Clips von beispielsweise immer 20 Frames festzustellen war.

Dreherfahrung

Da wir die Jugendlichen im Projekt erst kennen lernen konnten, begegneten uns die meisten anfangs schüchtern. Bei unserer ersten Reise fiel es ihnen schwer, sich auf die Kamera einzustellen. Deswegen haben wir einige Mal so gedreht, dass der Kameramann mit der Kamera im Geschehen dabei war und anfing zu drehen, wenn sich wichtige Situationen ergaben, der Tonmann kam im Laufe des Gesprächs mit der Angel dazu. Auf diese Weise konnten einige wichtige Szenen entstehen, ohne dass die Präsenz vom kompletten Team, die Situationen zerstört hätte. Beispielsweise ergab sich zufällig ein Gespräch zwischen zwei Protagonisten über Drogenkonsum, bei welchem der Kameramann zunächst allein drehte. Nur einer der beiden Protagonisten war mit einem Funkmikro ausgestattet. Als wir später Ton und Bild der Szene synchronisierten, waren wir begeistert, wie präsent das TinyMike den Ton aufgenommen hat.

Zusammenfassend können wir aus unserer Erfahrung berichten, dass die Zusammenarbeit aller Komponenten vom Dreh bis zur Post-Produktion bei unserem Projekt sehr gut funktioniert. Angesichts des Materialumfanges ist die Fehlerquote kaum der Rede wert. Das Manko der PMW EX-1, dass sie keinen TC-In besitzt, wird durch den Clockit von Ambient behoben, dass FCP keinen LTC auslesen kann, lässt sich mit dem Programm „FCP Aux TC Reader“ von Video Toolshed sehr gut ausgleichen.

Kontakt

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