Steinberg Yamaha Vintage Plugin Collection

Autor: Peter Kaminski

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YAMAHA bietet für seine Digitalpulte Add-On-Effects an. Viele der Werkzeuge sind nun seit Anfang 2012 auch in Form von Plug-Ins der Firma Steinberg für die Benutzung auf DAWs verfügbar. Es handelt sich in diesem Falle um Simulationen von Vintage-Prozessoren, bzw. Aufnahmegeräte.

Die Umsetzung der Simulation erfolgt mit der Virtual Circuitry Modeling Technologie (VCM), welche die einzelnen Schaltkreise und elektrischen Komponenten simuliert. Diese Technik wurde auch schon bei den RND Portico Plug-Ins eingesetzt, welche wir ja auch schon bei uns vorgestellt haben.

Die Sammlung teilt sich dabei in drei Bundles auf und zwar:

  • Vintage Channel Strip (Kompressoren und EQ)
  • Vintage Open Deck (Bandgerätesimulation)
  • Vintage Stomp Pack (Chorus und Flanger)

Die Plug-Ins des Vintage Channel Strip Bundles sind dabei auch einzeln zu bziehen.

Systemvoraussetzung und Installation

Die Plug-Ins lassen sich sowohl auf Rechnern mit Windows 7-Betriebssystem als auch für MacOS X ab 10.7 installieren und betreiben. Als Kopierschutz kommt der bei Steinberg übliche USB-eLicenser zum Einsatz. Die Plug-Ins stehen als VST2.4, VST3 und Audio Unit bereit und das sowohl als 32- als auch als 64-Bit-Version. Die Plug-Ins stehen nach der Installation sowohl als Mono- als auch als Stereo-Version bereit. Wird ein VST3-Plug-In in einem Mehrkanalpfad eingeschliffen, so werden die Kanäle L/R bearbeitet. Ein Mehrkanalmodus wird also nicht unterstützt.

Hier nun eine Kurzbeschreibung des Installationsvorgangs. Es gibt einen Installer für alle Plug-Ins und nach der Installation der entsprechend gewünschtes Werkzeuge schaltet man die gekauften Plug-Ins über einen Freischaltcode frei.

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Nach Anwahl eines Paketes wählt man aus ob man die 32- oder 64-Bit-Version installieren möchte. Wenn sowohl 32- als auch 64-Bit, z. B. für den Betrieb mit Wavelab und Nuendo auf einer DAW, installiert werden soll, dann muss der Anweder die Installation mit dem anderen Format wiederholen. 

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Bei dem Channel Strip lassen sich die einzelnen Plug-Ins des Bundles individuell installieren (s. u.).

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Weiter erfolgt in einem weiteren Dialog auch die Auswahlmöglichkeit des Plug-In-Formats, hier auf einem Windows-System VST2.4 und/oder VST3.

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Nach diesen Schritten ist die Installation abgeschlossen und die Lizenzaktivierung erfolgt nun.

Channel Strip Plug-Ins

Das Channel Strip Bundle beinhaltet den Compressor 260, den Compressor 276 sowie den Equalizer 601. In der Produktbeschreibung heisst es, dass man sich an Equalizern und Kompressoren der 70er Jahre orientiert hat. Es werden dabei aber keine exakten Vorbilder genannt und auch die Bezeichnungen verweisen nicht auf bestimmte Produkte. Man hält sich also sehr allgemein aber bei genauerem hinschauen sind doch auffällige Parallelen zu historischen Produkten gegeben. Wir schauen uns die einzelnen Plug-Ins mal genauer an. 

Compressor 260

Das mit Compressor 260 bezeichnete Plug-In ähnelt schon vom Layout her dem DBX 160A. Das Original war von der Bedienung her sehr einfach gehalten und es war einkanalig ausgelegt. Es ließ sich lediglich die Kompressoreinsatzschwelle (Threshold), das Kompressionsverhältnis (Ratio) und der Ausgangspegel (Output) einstellen. Der Übergang zur Kompression erfolgte wählbar mit mit Hard-Knee oder der OverEasy-Schaltung. Anstieg- (Attack) und Abfallzeitkonstanten (Release) wurden vom Prozessor automatisch eingestellt.

comp260

Beim Compressor 260 hingegen lässt sich sowohl Attack- als auch Release-Zeit über einen virtuellen Regler manuell einstellen (graue Regler) und es gibt drei anwählbare Kompressionsübergangs-Modi. Eine Umschaltung auf den Original Auto-Modus ist nicht vorgesehen. Dafür gibt es aber eine VST3-Sidechain-Funktion und das Plug-In ist eben auch als Stereo-Version verfügbar. Die Anzeige ist dem Original ähnlich, wenn man die Farbgestaltung der Bargrafen außer acht lässt.

Compressor 276

Auch der Compressor 276 ist die Nachempfindung eines der großen Klassikern unter den Audioprozessoren. Pate hat hier der Urei 1176 FET-Kompressor bzw. Audio 1176LN gestanden. Durch den Einsatz der FETs (Feldeffektransisoren) wurden damals auch kürzere Regelkonstanten möglich als es mit den bis dahin eingesetzten LDRs (lichtempfindliche Widerstände) möglich war - speziell wünschenswert beim Attack.

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Das Layout des Compressor 276 ist dem des Originals ähnlich: links die Regler und in der rechten Sektion Meter und Taster für Auswahl des Anzeigemodi (Gain Reduction, VU mit -10 und -20 dB sowie Deaktivierung der Meter). Bei Original wird das Ratio über vier Taster angewählt. Gegenüber dem Original gibt es bei dem Plug-In einen virtuellen Stufenschalter und zusätzlich ist auch ein Ratio von 2 selektierbar. Hinzugekommen ist auch noch eine Auto-Makeup-Funktion sowie ein internes Hochpaßfilter für den internen Sidechain. Eine VST3-Side-Chain-Funktion wird nicht unterstützt.

Equalizer 601

Und der dritte Klassiker im Bunde des Vintage Channel Strip Bundles ist ein Sechsband-Equalizer mit vier vollparametrischen Bändern sowie je einem Low/High-Filter, was sich als Tief/Hochpass oder Low/High-Shelving betreiben lässt (mit je zwei verschiedenen Filtersteilheiten). Das Vorbild ist wohl der Neve 1066 Channel Amplifier, wobei das Konzept des Equalizer 601 in der Umsetzung und im Layout mit den vielen Bändern doch deutlich erweitert ist.

eq601

Es gibt z. B. die Möglichkeit die Ansteuerung und die damit u. U. verbundenen Verzerrungsprodukte zu kontrollieren, in dem man zwischen der Betriebsart "Drive" und "Clean" umschaltet. Die Darstellung oben zeigt nicht nur die Filterkurve (resultierende und einzelne Filterbänder) an sondern gestattet auch mit der Maus Frequenzen und Gain zu beeinflussen. Auch die Filtergüte, bzw. die Steilheit lässt sich mit der Maus verändern (bei gleichzeitig gedrückter Shittaste).

Weitere Features sind neben der Bargrafanzeige auch Bypass-Tasten für jedes Band (unter den Reglern) und ein Flat-Taster, der alle Einstellungen wieder auf 0 zurückstellt und die eingestellten Filterwerte überschreibt.

Open Deck Plug-In

Dieses Pack beinhaltet eigentlich ein einziges Plug-In und zwar eine Bandmaschinensimulation. Das Plug-In teilt sich in zwei Sektionen auf und zwar links die Sektion für die Aufnahme (Record) und rechts für die Widergabe (Repro). So lassen sich z. B. Aufnahmen mit einer bestimmten Maschiene, auf einer bestimmten Bandsorte mit bestimmter Geschwindigkeit plus Abspielen auf gleichem oder auch anderem Bandmaschinentyp simulieren.

Als Bandmaschinen gibt es  Swiss '70, '78 und '85 sowie American '70 - interpretierbar als Bandmaschinen Studer (Swiss) A80, A800, A820 und Ampex (American) MM1000. In der Plug-In-Anleitung und Broschüre findet man hierzu keine Hinweise. Über den Record/Repro-Schalter lässt sich die Meteranzeige auf die jeweilige Sektion (Aufnahme/Wiedergabe) umschalten.

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Neben den üblichen Parametern wie Bass- und Höhenentzerrung kann auch die Vormagnetisierung (Bias) und natürlich Aufnahme- (Record) und Wiedergabepegel (Reproduce) beeinflusst werden. Weiter lässt sich  die Bandgeschwindigkeit in zwei Stufen (15/30 Inch/Sek.) sowie die Bandsorte (Old/New) verändern. Neben der Simulation der VU-Meter gibt es auch noch eine Bargraf-Pegelanzeige.

Stomp-Pack-Effekte

Das Stomp-Pack ist eine Sammlung von Phasern und einem Flangern sowie einem Wah-Wah-Pedal-Effekt primär für den Einsatz mit E-Gitarre und spricht daher eher Musiker oder Producer an. Trotzdem möchten wir kurz auch auf dieses Bundle eingehen.

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Das Bundle beinhaltet einen Yamaha Vintage Phaser (nicht abgebildet), einen Yamaha Vintage Flanger, einen Dual Phaser, Max 100 sowie den Vintage Wah.

Praxis

Den Test haben wir auf einem SO-APC3 von Steller-Online unter Windows 7 durchgeführt. Probleme gabe es weder bei der Installation noch beim Betrieb unter 32- noch unter 64-Bit-Hosts.

Nun zur praktischen Bewertung. Der Compressor 260 bietet mehr Funktionalität als das Original wobei sein Klangverhalten dem Original sehr nahe kommt. Ich persönliche bevorzuge den Compressor 260 für den Einsatz in der Postproduction und Stimme. Hierfür wäre für viele Anwender die Autofunktion des Original als anwählbare Option vieleicht noch wünschenswert gewesen.    

Auch der Compressor 276 ist durch die Erweiterung des einstellbaren Kompressionsverhältnis, des Auto-Makeup sowie Hochpassfilter deutlich umfangreicher ausgestattet als sein Vorbild. Auch die möglichen kurzen Attackzeiten () werden relativ realistsisch reproduziert. Den Compressor 276 setze ich am liebsten im Bereich Musik und zwar sowohl in der Summe als auch für Einzelinstrumente und Gesang ein. Und wenn man sich das Ergebniss so anhört kann man nur sagen: Urei lässt grüßen.

Der Equalizer 601 hat klanglich einiges von seinem Vorbild aber in Sachen Funktionalität und Variabilität bietet er doch, nicht zuletzt durch die vielen Bänder und grafische Darstellung, einiges mehr. Ein sehr schöner, musikalisch klingender Universal-Equalizer vom Einsatz in einem Kanal, in der Summer oder beim Mastering.  

Das Vintage Open Deck ist nicht nur eine sehr gut klingende Bandsimulation sonders das Bedienkonzept ist auch besonders gelungen denn oft ist es notwenig am Rande des hörbaren zu operieren und da hilft einem die Bedienfunktionalität das Optimum herauszuholen. Wie bei den anderen Plug-Ins der Yamaha-Vintage-Reihe würde man sich allerding A/B-Speicher-Buttons zum schnellen Vergleich wünschen. Ein persönlicher Wunsch wäre eigentlich noch die Implementierung meine so geliebten Telefunken-Bandmaschinen. Aber das Fehlen lässt sich doch leicht verschmerzen.

Sehr lobenswert ist auch die nicht merkbare Latenz sowie die sehr geringe Prozessorbelastung und das auch bei den Plug-Ins, wo man eigentlich einen erhöhte Resourcennutzung vermuten würde. Man hat also einen sehr guten Kompromiss - wenn man diesen Begriff in diesem Zusammenhang hier überhaupt benutzen kann - zwischen Resourcen-Verbrauch und Klangqualität erzielt.

Fazit

Das Vintage Channel Strip Bundle wird für ca. 380 Euro angeboten (alle Preisangaben Stand Feb. 2012). Die drei einzelnen Plug-Ins des Bundle werden für unter 150 Euro angeboten. Das Vintage Open Deck und das Bundle Vintage Stomp Pack kosten je knapp unter 200 Euro. Außer bei letzterem finden wir den Preis ausgesprochen angemessen für die geleistete Qualität und Funktionalität. Das Stomp Pack dürfte ruhig 50 Euro preiswerter sein. Die Plug-Ins können übrigens auch vor Kauf ausprobiert werden denn es steht auf der Steinberg-Web-Site eine 30-Tage-Trial-Version bereit.

Die Vintage-Plug-Ins von YAMAHA sind sehr empfehlenswert und interessant, besonders für diejenigen, die über keine UAD2-Karte verfügen aber auch gerne ihren Produktionen einen Vintage-Sound verpassen möchten oder eine Klangverbesserung gegenüber DAW-mitgelieferten Plug-Ins erreichen möchten. Die Vintage-Plug-Ins unterscheiden sich zu den meisten mitgelieferten Plug-Ins doch deutlich und bereichern sicherlich jede DAW. 

Eigentlich auch ganz geschickt, dass man nicht einfach die Originale nachgebaut hat sondern, dass man sich auch offensichtlichen Mängel der Originale gewidmet hat, in dem man Zusatzfunktionen implementiert hat. Also funktionell sogar besser als die Originale. Interessant als Ergänzung, bzw. als Alternative zu dem YAMAHA Channel Strip Pack sind sicherlich noch die Portico-Plug-Ins von Steinberg.

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