Eurovision Song Contest 2016

Autor: Peter Kaminski  | Fotos: Riedel und Archiv

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Der Eurovision Song Contest, den wir thematisch ja schon seit Jahren begleiten, ist nicht nur weltweit die größte Unterhaltungs-TV-Show (204 Mio. Zuschauer weltweit) sondern was die technisch Ausstattung und Aufwand dieses Genre angeht ist der ESC die maßgebliche Veranstaltung. Deshalb lohnt es sich jedes Mal wieder einen Blick hinter die technischen Kulissen zu wagen. Zudem wird der ESC auch international immer bedeutender, weit über die Grenzen Europas hinweg. Nicht nur das Australien im Rahmen des ESC als Land teilnimmt sondern der ESC wird mittlerweile sowohl nach China als auch in die USA live übertragen. 2015 stand ja sogar die Frage im Raum, ob China aktiv teilnehmen könne. Das konnte 2016 noch nicht umgesetzt werden.

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Der ESC 2016 fand diesmal in Stockholm vom 10. bis 14. Mai 2016 statt und zwar in den vier Globe Arenas (s. Abb. unten) namentlich dem "Ericsson Globe", das weltweit größte sphärische Bauwerk, welches 1989 eröffnet wurde, sowie in der benachbarten "Tele2 Arena" und den beiden Hallen "Hovet" sowie "Annexet". Die eigentliche TV-Show fand in der Ericsson Globe statt, die bis zu 16.000 Leute fasst. In der Tele2 Arena, mit einem Fassungsvermögen von bis zu 40.000 Zuschauern, veranstaltete man am Samstag das Public Viewing. In der Hovet wurde das Pressezentrum untergebracht und in der kleinsten Halle die kleinste Halle Anexet diente den Künstlern und hier waren unter anderem die Garderoben, es gab hier aber auch Technikräume.

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Wir möchten beim Eurovision Contest 2016 unsere Berichterstattung auf drei Themen fokussieren und zwar einmal die Funk- und Intercom-Technik, dann der Einsatz der Audio/Video-Netzwerktechnik und der Bereich der Kommentatorentechnik.

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Bei der Ausschreibung für den ESC wurde nach einer Produktionsfirma gefragt, die die gesamte Produktion übernehmen sollte. Es haben sich drei skandinavische Firmen beworben und Mediatec Broadcast, bzw. heute NEP, hat diese Ausschreibung letztendlich gewonnen. Commentary, Video Backbone und Radiosystem sollte über NEP, abgewickelt werden. Der deutsche Hersteller Riedel hat dann seine Komponenten und Dienstleistungen in diesen Bereichen NEP angeboten. NEP selbst stellte den Ü-Wagen, ein Backup-Ü-Wagen sowie ca. 30 Kameras für die Produktion.

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Zunächst noch ein kurzer Rückblick über die Aktivitäten von Riedel in Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest. Hier gibt es schon eine mehrjährige Historie. Bereit 2006 in Athen fing das Engagement von Riedel beim ESC mit Intercom und Funkkommunikation an. Die Beteiligung an der Gesamttechnik nahm dann über die Jahre stetig zu. In Baku, Düsseldorf und Wien war man so auch für die Akkreditierungssysteme verantwortlich, was dieses Mal beim ESC eine lokal ansässige Firma übernahm.

MediorNet

Alles an Video und Daten inkl. Sprechstellen wurde über das MediorNet verteilt, wie z. B. Videofeeds für Kommentatoren oder der Projektoren. Drei Riedel MetroN in einer Dreieckkonstellation bildeten den Kern des Mediornet-Backbone. Es gingen dabei immer je zwei Verbindungen zu dem anderen beiden MetroN's und zwar mit 10 GBit/s pro Verbindung.

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Für die Infrastruktur wurde weitgehend die Hausverkabelung genutzt wobei CWDM Coarse Wavelength Division Multiplexing) zum Einsatz kommt (acht Wellenlängen pro Faser). Nur an den Anschlusspunkten wurde Glasfaser nach Bedarf noch zu den Endgeräten verlegt. Also ganz im Gegensatz zum dem ESC in Wien, wo ja extra ein neues Glasfasernetz verlegt wurde. Die Installation im Globe war zudem aber auch deutlich größer und umfangreicher als in Wien. Endgeräte, die an den MediorNet-Backbone angeschlossen waren, gab es überall in der Halle (siehe z. B. Abbildung unten).

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Insgesamt kamen 51 Frames der Modelle MicroN, MetroN und Modular zum Einsatz. Es ließ sich schnell etwas umrouten oder umkonfigurieren. Letztendlich muss man sagen, dass die Anzahl der Übertragskanäle von Veranstaltung zu Veranstaltung immer größer wird, aber auch weil die mittlerweile kompakte Technik diese hohe Anzahl erst ermöglicht. Wesentlich dazu beigetragen hat das MicroN mit zwölf I/O-Kanälen und zwei MADI-Streams pro MicroN-Frame.

Funk und Intercom

Zunächst einmal ein Überblick über das eingesetzte Funksystem Es wurden drei Tetra-Zellensysteme eingesetzte und zwar eines in der Tele2 Arena mit sieben Zeitschlitzen, eines im Hovet ebenfalls mit sieben Zeitschlitzen und eines im Globe mit 24 Zeitschlitzen, wobei auch die Kommunikation im Annexet darüber abgewickelt wurde. Die TETRA-Zentrale wurde oben im Catwalk im Globe installiert.

Insgesamt kamen über 300 analoge und digitale (TETRA) Funkgeräte zum Einsatz. Im Globe gab es weiter noch ein internes Securtity-Funknetz auf Motorola-DMR-Basis (MOTOTRBO). Feuerwehr und Polizei und andere Sicherheitsdienste nutzten wie gewohnt ihr eigenes Funknetz. Es war also funkmäßig einiges los.

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Alle TETRA-Zellen wurden vernetzt, so dass man von jedem Punkt überall hinsprechen konnte. Insgesamt waren 30 Sprechgruppen geplant aber es wurden dann doch ca. 60. Die Vernetzung wurde über das MediorNet realisiert, worüber ja, wie schon zuvor beschrieben, auch die ganze Videovernetzung erfolgte.

Die Anbindung an das Artist-System erfolgt mit dem Riedel Juggler, worüber 55 Kanäle angebunden wurden. Die Anbindung der wenigen analogen Funkgeräte erfolgte über Riedels ReFace. Es wurden hierfür vier RiFace für Kamera, Stage Manager, Video und Pyrotechnik installiert.

Kommentatortechnik

Ein zentraler Punkt in der Technik ist bei ESC immer die Kommentatorentechnik (Coomentary). Als Sprechstellen kamen hier auch Riedel's CCP Commentary Sprechstellen innerhalb des Artist-Systems zum Einsatz. 40 ISDN-Leitungen für 36 Länder standen für die Übertragung der Kommentatoren bereit. Die beiden Basiskanäle wurden klassisch für On-Air-Ton und Rückleitung genutzt. Es gab sowohl Einzel- als auch Doppelkabinen für die Moderatoren, je nach Land. Das Kommentatorensystem war Teil des gesamten MediorNet-Backbone. Das Internet für die Kommentatoren-Arbeitsplätzen war entkoppelt und wurde über die hausinterne Infrastruktur des Globe bereitgestellt.

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Die Kommentatorenkabinen waren auf zwei Etagen verteilt. Der NDR im Auftrag der ARD war mit zwei Kabinen vertreten und zwar eine für Radio und eine Doppelkabine für TV. Man setzte beim NDR drei ISDN-Codecs mit MPEG-Codierung ein und zwar für On-Air, Backup-On-Air und Kommando-Leitung.

Fazit

Man muss sagen, dass die Technik aus Deutschland beim ESC ohne Frage erfolgreicher war als der musikalische Beitrag von Jamie-Lee und in diesem Zusammenhang hier mal das Team von Riedel und NEP im Bild.

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Übrigens zu den Kosten noch eine Anmerkung. Getragen wird die Veranstaltung ja von den einzelnen beteiligten Ländern der EBU. So sollen die ESC-Startgebühren für Deutschland bei 400.000 Euro gelegen haben. Diese Kosten relativieren sich natürlich, wenn man bedenkt, dass über neun Millionen Zuschauern in Deutschland das Finale gesehen haben und insgesamt ca. acht Sendestunden bei der ARD aufgelaufen sind. Wenn man die Produktionskosten dazurechnet immer noch eine relativ moderater finanzieller Aufwand. Eine Hauptlast der Finanzierung für die Produktion vor Ort trägt natürlich auch immer die für die Übertragung zuständige Sendeanstalt.

Der 61. Eurovision Song Contest in Stockholm hat wieder einmal gezeigt, dass die Vernetzung bei Veranstaltungen in diesen Dimensionen nicht mehr wegzudenken ist. Noch viel mehr muss man sagen, dass diese Anzahl der Signalverbindungen ohne Netzwerktechnik sich in dem vorgegebenen Kostenrahmen ohne Vernetzung gar nicht mehr realisieren ließe.

www.eurovisionsongcontest.de
www.riedel.net